Keine Generationenfrage, sondern ein Gesellschaftszustand

1. Generation X,Y, & Z

Aktuell und anzunehmenderweise auch für die nächsten Jahre, wird die Beschaffung geeigneter Mitarbeiter die kardinale Frage im Bereich Personal darstellen[1]. Dabei ist der, in letzter Zeit häufig zu hörenden, Ansatz einer mehr freizeitorientierten Generation Z (oder deren Vorläufer, X&Y) eher weniger geeignete eine Lösung für das Problem und den Umgang mit jüngeren, mittelalten Mitarbeitern zu liefern.

Das Thema der „Jugend“ oder der „Jungen“, als vermeintlich oder real weniger leistungsfähigem Teil der Bevölkerung ist keine Erfindung der Neuzeit. Dem Thema geht die Welt zumindest seit den Zeiten der Sumerer[2] nach. So kann man denn auch Sokrates und Platon zitieren, die meinten,

„Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer“ (Sokrates, 470-399 v.Chr.)

„Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. (Sokrates, 470-399 v.Chr.)

„[…] die Schüler achten Lehrer und Erzieher gering. Überhaupt, die Jüngeren stellen sich den Älteren gleich und treten gegen sie auf, in Wort und Tat“ (Platon, 427-347 v. Chr.)[3]

 

..(auf die Frage an einen Vater, warum er seiner Tochter nicht den gewünschten Porsche kauft) ..meine Tochter möchte da anfangen wo ich aufgehört habe, ohne die Vorleistung zu erbringen (Zitat eines Mandanten in den 80ern, GHP).

Offensichtlich reicht also die Tatsache einer gewissen Renitenz, einer Art von Respektlosigkeit oder eine Neigung zu einer – neudeutsch formuliert – work-life balance[4] nicht aus, um den Kandidaten den Stempel „leistungsunwillig“ oder „freizeitorientiert“ aufzudrücken. Wenn diese Ansicht in der Welt schon seit tausenden Jahren existiert und die Beurteilung sich fortschreibt, muss es ein Umstand sein, mit dem man gelernt hat umzugehen. Und das muß eben auch die heutige Gesellschaft.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Diskussion der Arbeitszeitverkürzung. Die kennen wir im besonderen Maße seit den 80er und nun wieder verstärkt in bestimmten Bereichen[5], aber eben auch allgemein in der Großindustrie, dem Mittelstand bis zu kleineren Handwerksbetrieben[6].

Offensichtlich ist die 60 Stundenwoche[7] nicht mehr im Fokus der arbeitenden Bevölkerung (und eben nicht nur der sogenannten Generationen X, Y & Z). Wenn es aber ein allgemeiner Zeitgeist ist, kann das die Suche nach einer Lösung für das Problem der Beschaffung der richtigen Mitarbeiter signifikant beeinflussen. Dann ist der Focus mehr auf die ermittelten Ursachen in der Breite der arbeitenden Bevölkerung zu legen und nicht auf die trendigen Fragen nach der Ausrichtung der Generationen X, Y, & Z.

Identifizierbar ist vielleicht in erster Linie eine allgemeine Verringerung der Frustrationstoleranz und das im Besonderen bei eben diesen vermeintlich richtig identifizierten Generationen. Eine Lebenseinstellung wohl auch unterstützt durch den eigenen (Lebens-)Erfahrungshintergrund, der eher weniger existentielle Fragen aufwarf als bei der Generation der Babyboomer[8]. Aber eben nicht nur bei diesen Generationen, sondern auch bei Menschen, die in den 60ern geboren sind. Die Ursache hat vielfältige Gründe. Summerhill’s Antiautoritarismus, Helikopter Eltern und eine Tendenz zur Überfürsorglichkeit, die den Alltag der jüngeren Generationen seit den späten 60ern heimsuchte, dürften ihren Anteil daran haben.[9]

Gerade die geminderte Frustationstoleranz dürfte ein Ansatzpunkt sein, den es lohnt weiterzuverfolgen.  Aus ihr ergibt sich wahrscheinlich auch die besondere Wechselbereitschaft vieler Leistungsträger. Im Umkehrschluss sollte es also bei der Recrutierung und Führung darauf ankommen die Leistungsanforderungen so zu tarieren, dass eine schrittweise Adaption möglich ist und in der Akquisition einen Ductus zu finden, der diesen Aspekt auch vermittelt.[10]

Inwieweit die allgemein diskutierten Aspekte der Generationen/Kohorten X, Y, & Z prägenden Einfluss auf eine Beurteilung haben oder nicht vielmehr implizit auch Ausdruck einer gesellschaftlichen (Gesamt-)Einstellung widerspiegelt[11], muß man sich fragen.

Daran wären vielleicht auch einzelne Maßnahmen im Rahmen der Mitarbeiterakquisition  anzuknüpfen.

Trotzdem muss man die Analyse der Generationen nicht außer Acht lassen.   Als ein Beispiel für eine verbreitete Sicht auf die Generationeneinteilung:

Statt Vieler Boris Kasper:

.. Generation Y. Sie wurde stark emanzipiert, sehr fürsorglich und extrem wertschätzend erzogen. Sozusagen in die Wiege gelegt wurde ihr die ständige Einladung zur Mitbestimmung und Teilhabe: An ihrer Erziehung, in den aufkommenden sozialen Medien – und auch durch gesellschaftliche Megatrends wie soziale und Gender-Gleichstellung, globale Vernetzung und die Digitalisierung. Weil sie als erste Generation von Anfang an in einer digitalisierten Welt aufgewachsen ist, wird die Generation der Ypsiloner auch Digital Natives genannt. Genau diese positive (Aufbruch-)Stimmung der Industrie- und Erlebniswelt 4.0 mit ihren unzähligen Partizipationsmöglichkeiten und der Verheißung, alles sein nun möglich, hat diese Generation zu besonderen Optimisten gemacht. Sie möchte ihre Welt spielerisch und möglichst frei mitgestalten.

Die … Generation Z. Auch sie wurde mit großer Wertschätzung erzogen, allerdings hat sich die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu einer Überfürsorglichkeit gesteigert – Stichwort Helikopter-Eltern. Während sie daheim also allzu gut behütet aufwuchsen, prägten sie von außen gleichzeitig die Bedrohungen von Klimawandel und Terror sowie auch sich wieder verhärtende und ausgrenzende politische und gesellschaftliche Agitation. Statt der glorreichen digitalen Auf- und Umbruchstimmung erlebten sie bereits die ersten Schattenseiten der Digitalisierung, auf den sie mit bewusstem Teilverzicht und einer teilweisen Rückbesinnung auf traditionelle Medien reagieren. Die Gen Z – sie hat erkannt, dass die versprochene digitale sowie auch die gesellschaftliche Teilhabe oftmals nur Illusion geblieben sind. Das hat sie zu äußerst kritische Realisten gemacht. Ihre scharfe Weltsicht gemischt mit der überfürsorglichen Erziehungsprägung führt zu ihrem starken Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität.

  1. Anspruch an Arbeitswelt: Work-Life-Blending versus Work-Life-Separating Die Erwartung an gelebte Freizeit unterscheidet Generation Y und Gen Z wesentlich

 Der Generation Y sind statt Statussymbolen und Gehalt eine intensiv gelebte Freizeit und die Option, diese flexible einzuteilen, wichtig. Darum wünscht sie sich ebenso flexible Arbeitsmodelle. Sie strebt nach Selbstverwirklichung und will sich im Job persönlich einbringen. Die Generation Y erwartet von ihrem Arbeitsplatz, dass sie dort berufliche und private Interessen sowie eigenen Werte leben kann: Sie will ihr Leben nicht von der Arbeit trennen – sondern in Work-Life-Blending, dem Vermischen von persönlicher Frei- und beruflicher Arbeitszeit, in einander übergehen lassen. Darum ist ihr Arbeit wichtig, die Sinn hat und so ihrem Sein Sinn gibt. Die visionäre Sinnsuche und der Ehrgeiz, selbstbestimmt die besten Lösungen zu entwickeln, ist charakteristisch für die Genration Y.

Auch der Generation Z ist ihre lebenswerte Freizeit äußerst wichtig. Doch anders als die Generation Y möchte sie Freizeit nicht mal hier, mal dann zwischen der Arbeit erleben, sondern möglichst weit und klar von der Arbeitszeit abgrenzen: Die Gen Z möchte nicht flexibel arbeiten, sondern im Gegenteil zeitlich sowie inhaltlich strukturiert. Aus Work-Life-Blending macht sie ein striktes Work-Life-Separating. Von ihrem Arbeitsplatz erwarten sie darum eine klare Trennung von privatem Leben und Beruf sowie verbindliche Freizeit-Regelungen. Selbstverwirklichung sucht sie nicht im Arbeitsleben, dennoch soll auch für die Gen Z der Job zu ihren individuellen Fähigkeiten sowie Werten passen. Auch für sie spielt Sinnhaftigkeit eine große Rolle – nur möchte sie diesen Sinn im Job nicht zwingend selbst suchen, sondern nachvollziehbar erklärt bekommen.

  

  1. Leistung und Motivation: Teilhabe versus Zuteilung

Ein anderer Wille nach Teilhabe gehört zu den Unterschieden zwischen Generation Y und Gen Z

 Die Generation Y fordert von ihrer Arbeitswelt sowie von ihrer Führung in hohem Maße Teilhabe, also Mitbestimmung und -gestaltung: an Prozessen, Strategien und Zielen – und den dafür optimalen Lösungswegen. Sie lehnt feste Strukturen ab und will sich stattdessen in möglichst agilen Teams und in flexibler Projekt-Arbeit selbst organisieren. Dafür braucht sie eine hierarchielose Atmosphäre, den Expertenaustausch auf Augenhöhe und Leadership, das sie zum Bestmöglichen empowert. Die Generation Y wünscht sich Kollegialität und familiären Team-Spirit: Das und ihre persönliche Entwicklung sind ihr wichtiger als bloßer Karriere-Aufstieg.

Derartige Beschreibungen sind relativ und das muss man bei der Analyse berücksichtigen. Ob man seine persönliche Biographie danach orientiert Arbeit & Privates in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten oder Phasen intensivster Arbeit vor- oder nachgelagert zu privateren Zeiten gestaltet, Arbeit als Beruf und/oder Berufung betrachtet oder philantrophisch der Kunst, der Familie den hauptsächlichen Teil seiner Zeit widmen will, entscheidet die betreffende Person. Im Gegensatz zu den 70er (oder früher) ist der Ductus der Gesellschaft insgesamt auf eine offenere und primär auf Selbstentscheidung basierende Gestaltung hin orientiert und damit im Ergebnis vielfältiger. Aber nicht anders. Die Selektion der Typologien von Mitarbeitern und das Auffinden ist schwieriger und in einer Übergangsphase durch die Anzahl der Nachfrager beschränkt. Gerade in diesem Zusammenhang sind Hilfsmittel zur Analyse, Förderung und Führung von Mitarbeiter (auch eine KI) ein überlegenswerter Lösungsansatz. Die Vielfalt der Lebensentwürfe (die hatten wir früher auch, spätestens nach Einstellung und als passive Leitlinie) sind nicht das Problem, sondern die Lösung[12].

Jedes Unternehmen muss seinen Bedarf finden, identifizieren und darauf ausgerichtet für den Markt ein Konzept der Selbstdarstellung entwickeln. Das kann und darf nicht nur auf die Generationenkategorisierung ausgerichtet sein, sondern sollte auch andere gesellschaftliche Gruppen – z.B. die „Früh“Rentner, silver liner – mit einbeziehen und motivieren. Und das sollte man nicht als schon bekannte Platitude betrachten sondern als Auftrag an die Unternehmen detaillierte Maßnahmen zu erarbeiten, um die richtigen Zielgruppen anzusprechen und zu motivieren. Und man sollte sich nicht auf das vermeintlich offensichtliche der Generationsfrage beschränken, sondern den gesellschaftlichen Zustand in Bezug auf die Frage von Arbeit, Leistung und Beruf(ung) beachten.

[1] Das ist bereits seit Längerem so, wird sich aber noch verschärfen.

[2] Dieser historische Ausflug sei hier erlaubt.

[3] Wenn es interessiert u.a. (mit weiteren Hinweisen auch auf Aristotels und eben die Sumer), https://bildungswissenschaftler.de/impressumurheberrecht/

[4] Etwas das wir alle wohl mehr oder minder schon einmal durchdacht haben, teilweise auch leben und das den Altvorderen auch nicht unbekannt gewesen sein dürfte und das sich in letzter Zeit wieder in die andere Richtung dreht

[5] Das gilt nicht nur für die Lokführer der GDL, sondern findet sich auch bei vielen anderen kleinen und großen mittelständischen Unternehmen. Wir haben in den 80er + 90er selber das Angebot eine anderen Arbeitsstruktur (z.B. 4 x 10 Stunden, ein Tag frei; ab den 90er auch zusätzlich ein oder zwei Tage Home Office) in unseren Unternehmen und mandatierten Unternehmen mit einigem Erfolg praktiziert.

[6] Unlängst reüssierte ein Fensterbauer mit 20 Mitarbeitern mit der 4 Tagewoche bei vollem Lohnausgleich.

[7] Dessen Minimierung war selbstverständlich nicht nur in den 50er ein legitimer Anspruch und die Tatsache, dass auch in der Generation Z genauso viele Burn Outs trotz oder wegen der Work-Life-Balance eben dieser Generationen gibt.

[8] Interessante Lektüre zu diesem Thema: Bude, Abschied von den Boomern

[9] Im Grunde ist die Ursache nur zweitrangig, kann aber helfen die Methoden zu entwickeln die Mitarbeiter an diesem Punkt abzuholen.

[10] Ebenso wie bei vorangehenden Generationen sind die Kriterien der Berufswahl variant. Pekuniäre Interessen finden sich dort ebenso wie die Ansicht, dass ein Beruf auch Berufung sein kann, es kommt als darauf an zielgruppenkonforme Darstellungen zu finden.

[11] Meiner Meinung nach hat sich das Rekurrieren „auf ein bestehendes oder behauptetes Recht auf Teilhabe und Versorgung“ in den letzten Jahrzehnten nachhaltig vermehrt. Ein Ausdruck von Menschen, die Verantwortung eher abgeben wollen, als wahrnehmen.

[12] Vielleicht ein wenig weit hergeholt: aber ein ähnliches Thema hatten wir in der sich entwickelnden Automatisierung und daran anschließend der „Fertigung auf Bestellung“ und deren Einspeisung in die Produktion.

WEIHNACHTSGEDANKEN

Jahresende & ein paar Themen

In Europa sind sie zumeist christlich geprägt, aber sie dürften in allen Kulturen, die auf einer kalendarischen Basis leben, vorhanden sein. Man muss nicht erst den Konflikt zwischen Okzident und Orient bemühen (E.Said, Orientalismus 1978 ) oder den Kampf der Kulturen (S.Huntington, Clash of Civilization), um die Themen zu identifizieren, die die Welt gefährlich umtreiben.

Ob philosophisch, religiös oder nur gesellschaftspolitisch geprägt: das Ende eines Jahres ruft förmlich nach einer Nabelschau. In unseren Breiten, dem gesamtem Westen, häufiger auf das familiäre Weihnachtsfest und die individuelle Situation hin orientiert anderswo, so auch  in China, auf das Neujahrsfest im Januar.

Hierzulande werden zu Weihnachten Besuche und Heimfahrten zur Familie geplant und organisiert, Zwistigkeiten der Menschen zueinander verlieren – für eine kurze Zeit – ihre Wichtigkeit, verschwinden unter dem Mantel eines Wunsches nach Gemeinsamkeit. Nicht immer mit einer langen Haltbarkeit ausgestattet.

Gespeist wird dieser Wunsch nach Friedlichkeit aus einem alten, dem Menschen an sich, innewohnenden Gefühl nach Liebe und Nähe. Von der ist in den Tagen des zu Ende gehenden Jahres oft die Rede. Schon Platon bezog seine Figur der Monade, landläufiger des Kugelmenschen (dem Wunsch des Menschen wieder mit seinem anderen Part zusammen kommen zu wollen) auf das Gefühl der Gemeinsamkeit, Nähe und der Liebe. Und wer diese Seelenverwandtschaft erleben durfte oder erlebt, weiß das es sich hier um eine Spielart zwischenmenschlicher Beziehung handelt, die man gemeinhin Liebe nennen kann.

Platonisch, rein freundschaftlich, mit oder ohne erotische Elemente. Manchmal manipulativ, taktisch und strategisch.  Die Chinesen (eigentlich ein Chinese aus der Tang-Zeit, ob Xi Jinping   das ebenso bestätigen wollte, sei dahingestellt) formulierten das einmal so:

                      Frage andere nicht, ob sie dich lieben wollen.  Liebe sie                                                              unmittelbar  und verdiene Ihr tiefstes Gefühl.

Fast möchte man das dem einen oder anderen Autokraten entgegenrufen. Bei den Meisten wäre es vergeblich. Zeitgenossen wie Trump, Erdogan oder Orban würden darüber lächeln. Söder würde überlegen, ob ihm das Lächeln politisch schaden könnte, und es erst dann „anwenden“.

Aber dieser ernüchternde Blick sollte einen selber nicht davon abhalten das Leben als einen positiven, gestaltbaren Weg zu sehen.

Die Realität ist erschütternd. Mit Machtmenschen und Narzissten kann man nicht verhandeln. Auf den Anderen zuzugehen wird dort als Schwäche wahrgenommen. Trotzdem sollte man nicht verzeifeln, den Menschen  weiterhin im Vordergrund sehen. In seiner Widersprüchlichkeit, auch in seiner Verweigerung andere zu sehen und zu beachten. Ob es dann für gute Beziehungen, Freundschaft oder mehr reicht, muss sich ergeben. Muss man behaarlich verfolgen.

Und wenn das nichts bringt, muss man sich schützen. Auch mit geeigneten Mitteln. Die Sentenz der Römer, „si vis pacem para bellum“, gilt auch nach über 2000 Jahren, da hilft das Mahnen der Friedensbewegung nicht und ohne diese Vorbereitung würde die Ukraine wohl das Schicksal der Krim bereits teilen.

Anfangen muss man bei sich selber. Sich wahrnehmen und schätzen.  In der Psychologie kennt man das auch unter dem Begriff der Introspektion, im gesellschaftlichen Kontext sollte, dem noch der Aspekt der Bescheidenheit folgen. Kein Zug der Zeit. Jedenfalls drängt sich dem Betrachter dieses negative Bild häufiger auf als es einem lieb ist. Und in satten Gesellschaften findet sich häufig genug auch der Spruch „Bescheidenheit ist Dummheit“.

Satte Gesellschaften neigen zur Selbstüberschätzung. Senecas Anleitung zum Verzicht und der Affektkontrolle  täte manch einem gut, würde vielleicht zur Erkenntnis führen, dass Weniger Mehr sein kann.

So muss man als Gesellschaft fast – ironisch gemeint – auf Krisen warten, um Änderung zu provozieren.

Und von denen haben wir nun in der Tag genug.

Spekulative Blasen – ob die aktuelle Immobilienblase platzt ist noch abzuwarten, aber die steigenden Finanzierungszinsen werden sich wohl noch bemerkbar machen –  Corona, Lieferengpässe und existentielle Energiefragen, wildgewordene Autokraten wie Putin, der zehntausende seiner Mitbürger in den Tod schickt und an Mao Tse Tungs Menschenverachtung im Koreakrieg erinnert (auch wenn dort hunderttausender Chinesen ihr Leben ließen ) oder Erdogan, der sicht gerade wieder mit seinen direkten Nachbarn anlegt. Der auch nicht davor zurückschreckt nun Athen  als Stadt zu bedrohen. NATO Partner hin oder her. Vor einigen Monaten beschränkte er sich darauf nur militärische Muskelspiele vor Zypern zu avisieren. Nicht zu vergessen die (vordergründig) religiösen Regime im Iran, Syrien oder Afghanistan, die den Exodus ihrer Jugend verursacht, der zum Migrationsdruck in den europäischen Staaten führt. Und all das überlagert von extremen klimatischen Veränderungen, die die Welt an die Grenzen der Innovationskraft (nicht des Wachstums, das hatten wir im Anwurf bereits in den 70er – und haben auch einiges erreicht) treiben dürfte.

Sattheit, Reizüberfluten, Druck durch eine Vielzahl von Umständen, die der Einzelne oftmals (zumindest scheinbar) nicht beeinflussen kann.

Und trotzdem: es gibt keinen Grund gleich zu Verzweifeln. Die Welt, unsere Gesellschaft und ziemlich viele in den Gesellschaften der Welt (der gnzen Welt !) hatten, haben und werden die Vielzahl der Probleme angehen und lösen. Im Kleinen und Schritt für Schritt an der Bewältigung arbeiten.

Was jeder für sich beachten kann und sollte, ist die Beschränkung auf das wirklich Notwendige. Das Hinterfragen, ob man dieses oder gerade dieses und dann noch sofort benötigt. Just in Time? Warum? So viel? Wenn man dem Vertreter einer christlichen Religion – Karl Rahner – glauben darf, ist die Politik der Zerrspiegel der Individualinteressen und damit dann doch auch durch jeden einzelnen von uns beeinflussbar.

Die Logik des Misslingens liegt (auch) in der fehlenden Distanz zu sich selber und der Überhöhung der eigenen Interessen. Vielleicht der Punkt in dem sozialen Engagement eben auch mit Liebe zum Menschen zu tun hat.  Und hier schließt sich der Kreis: Respekt und positive Selbstwahrnehmung sollte zu einer respektvollen und positiven Wahrnehmung der Anderen führen. Ob man die Welt stoizistisch, konfuzianistisch oder im Sinne der abrahamitischen Religion betrachtet, als Buddhist oder Hinduist oder dem Sufismus folgt. Eine gemeinschaftliche Lösung der Fragen, die uns und die ganze Welt betreffen, kann nur gemeinsam erfolgen. Dabei darf man den Menschen auch in seiner Ambivalenz sehen. Als Kennedy seine bekannte Aussage

                                 Frage nicht was dein Land für dich leisten kann,                                                     sondern was du für dein Land leisten kannst

(Rede bei seinem Amtsantritt 1961) aussprach, stand er in Washington auf den Stufen des Capitols, sprach zu den Amerikanern und der Welt (erstmals per Fernsehkameras übertragen) und hatte das Schweinbuchtdebakel (das er verursachte) und die Kubakrise (die er erfolgreich löste) noch vor sich. Dass machte seine richtige Aussage nicht besser und nicht schlechter. Und ob sie nun ursprünglich von Sorrensen seinem Redenschreiber stammt oder seinem alten College-Direktor, zeigt nur dass er nicht der einzige ist, der sie wahrnahm. Es bleibt eine Herausforderung für jeden von uns.

Packen wir es an.

ein geruhsahmes Fest und einen guten Rutsch nach 2023.

 

 

 

Das Lieferkettengesetz – eine Drohung am Horizont?

Eine der vielen Ausschüsse (diesmal der interministerielle) der Bundesregierung tagte im Juli 2020, um die Befragungsrunde des NAP (Nationaler Aktionsplan Wirtschaft + Menschenrechte) zu diskutieren. Das nur ein Bruchteil der teilnehmenden Unternehmen danach die Anforderungen an die unternehmerische Sorgfalt in Bezug auf die Menschenrechte erfüllte beunruhigte die Ministeriellen. Und nun soll es kommen: das Lieferkettengesetz.

In der freiwilligen Vereinbarung galten bisher fünf Kernelement,

  • Eine öffentliche Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte
  • Verfahren zur Ermittlung tatsächlicher und potentiell nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte
  • Maßnahmen zur Abwendung potentiell negativer Auswirkungen und Überprüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen
  • Berichterstattung
  • Einrichtung eines Beschwerdemechanismus für Betroffene

Altmeier, die Verbände und sicher einige Unternehmen sind dagegen, dass diese (bürokratische) Vorgaben verpflichtender Teil der Unternehmensplanung werden muss, Heil und Müller fordern die Erfüllung des Koalitionsvertrages. Hayek würde – zu Recht – damit die Fortschreibung der Planwirtschaft ins Ethische  annehmen und Müller-Armacks, Eucken oder Röpke – als Vertreter einer ethischen, sozialen Marktwirtschaft – würden darauf verweisen, das Wettbewerb und Preisfunktionen die richtigen Steuerungsmittel sind.

Das nichtoffizielle Eckpunktepapier des Arbeitsministeriums sieht dabei vor, dass alle Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter und sofern sie in Deutschland ansässig sind die 5 Kernelemente in ihre Unternehmensprozesse integrieren, im Internet darüber berichten und die Aktivitäten darlegen muss. Dass die Unternehmen dazu von einer Behörde kontrolliert werden müssen, versteht sich fast von selbst. Auch wenn die Sorgfaltspflichten nicht verabsolutiert werden sollen, sondern ein Bemühen ausreichen würde, um die Pflichterfüllung zu konstatieren. Aber es ist eine Bußgeldpflicht angedacht und der mit den Maßnahmen verbundene Kostenaufwand ist nicht zu unterschätzen.

Da es sich hier nicht um die Frage der eigenen Produktionsstätte handelt, sondern die Einwirkung auf den Sublieferanten verlangt wird, lassen sich leicht Szenarien denken, in denen Sublieferanten mit relevanten Lieferanteilen (in der Menge oder weil es Schlüsselzulieferprodukte sind) existieren, bei denen der Abbruch der Beziehung Auswirkungen auf das eigenen Unternehmen hat. Nicht nur auf der Kostenseite, sondern auch bei der Verfügbarkeitsfrage, und damit verbundener Lieferstörungen. Solche Konsequenzen haben wir gerade eben erst im Rahmen der aktuellen Corona-Krise erlebt (man denke an die fehlenden Masken wegen Lieferverweigerung in Tschechien und daraus resultierende Engpässe im klinischen Bereich). Was hier anklingt ist die Fragen des Risikomanagement, die von solcher gesetzlichen Regelung ausgehen kann.

Auch wenn der Schutz u.a. „nur“ bezüglich Kinder- oder Zwangsarbeit, Diskriminierung (ein weites Feld) und Arbeitsschutz oder Verstößen gegen die Versammlungsfreiheit besteht, ist der Interpretationsspielraum in den meisten Begrifflichkeiten extrem weit. Was macht man zudem, wenn man von Zulieferungen aus Xinjiang Kenntnis hat, schlimmer noch in Xinjiang selber einkauft oder produzieren lässt? Das ist dann möglicherweise auch noch ein Imageschaden. Neben den bürokratischen Auflagen und angedrohten Ordnungsgeldern.

In jedem Fall ist es – wenn man davon ausgeht, dass dem Koalitionsvertrag entsprochen wird – zusätzlicher Aufwand, den man nach Verabschiedung des Gesetzes entgegensieht. Das er gar nicht kommt ist nicht zu erwarten. Und grundsätzlich werden sich die meisten Unternehmen auch nicht gegen eine angemessene Ethik ihres Unternehmens verwehren, sie in der Regel bereits heute praktizieren. Die geplante dreijährige Übergangszeit lässt auch später genug Zeit zur Umsetzung. Andererseits sollte man auch insoweit über antizipierendes Krisenmanagement nachdenken. Oder wie die Lateiner sagten „si vis pacem para bellum“.

Die meisten Unternehmen haben sie: Unternehmensgrundsätze. Das zu erweitern dürfte den Wenigsten schwer fallen und ließe sich auch in den jeweiligen internen Audits einbinden. Und das würde auch die – wahrscheinlich – effizienteste Möglichkeit eröffnen in diesem Strukturierungsprozess Eckpunkte zu diskutieren, die den zu erwartenden Vorgaben des Lieferketten-gesetzes Grenzen setzen. Nicht alles was man seitens der Politik wünscht ist mit einer berechtigten ethischen Forderung zu verbinden. Deutschland oder Europa ist auch nicht der Retter der ganzen Welt. Die Arbeitsschutzprobleme und Diskriminierung in Drittländern sind vornehmlich dort zu lösen: im Drittland. Das muss man unterstützen, aber man muss akzeptieren, dass dort andere kulturellen Tradition, abweichende gesetzliche Grundlagen bestehen können, die unüberschaubare Abgrenzungsprobleme nach sich ziehen werden. Neben der Problematik wirklich Einfluss auf den Lieferanten nehmen zu können. Der Okzident sollte sich vor der Arroganz des „besser Wissens“ hüten.

Nicht wenige sollten für alle entscheiden, sondern der Wettkampf der Ideen aller sollte über den Weg entscheiden. Hier in Europa ebenso wie am Ort der Sublieferanten, China, Bangladesch oder der Türkei.

Es ist zu überlegen, dass man sich im Vorfeld gegen die Auswüchse des Lieferkettengesetzes argumentativ und faktisch zur Wehr zu setzen und wenn man kann sollte man das in den eigenen Produktions- und Organisations-prozess zu eskomptieren.  Antizipatives Krisenmanagement. Das erspart Kosten und hektisches Handeln, wenn es ernst wird.