WEIHNACHTSGEDANKEN

Jahresende & ein paar Themen

In Europa sind sie zumeist christlich geprägt, aber sie dürften in allen Kulturen, die auf einer kalendarischen Basis leben, vorhanden sein. Man muss nicht erst den Konflikt zwischen Okzident und Orient bemühen (E.Said, Orientalismus 1978 ) oder den Kampf der Kulturen (S.Huntington, Clash of Civilization), um die Themen zu identifizieren, die die Welt gefährlich umtreiben.

Ob philosophisch, religiös oder nur gesellschaftspolitisch geprägt: das Ende eines Jahres ruft förmlich nach einer Nabelschau. In unseren Breiten, dem gesamtem Westen, häufiger auf das familiäre Weihnachtsfest und die individuelle Situation hin orientiert anderswo, so auch  in China, auf das Neujahrsfest im Januar.

Hierzulande werden zu Weihnachten Besuche und Heimfahrten zur Familie geplant und organisiert, Zwistigkeiten der Menschen zueinander verlieren – für eine kurze Zeit – ihre Wichtigkeit, verschwinden unter dem Mantel eines Wunsches nach Gemeinsamkeit. Nicht immer mit einer langen Haltbarkeit ausgestattet.

Gespeist wird dieser Wunsch nach Friedlichkeit aus einem alten, dem Menschen an sich, innewohnenden Gefühl nach Liebe und Nähe. Von der ist in den Tagen des zu Ende gehenden Jahres oft die Rede. Schon Platon bezog seine Figur der Monade, landläufiger des Kugelmenschen (dem Wunsch des Menschen wieder mit seinem anderen Part zusammen kommen zu wollen) auf das Gefühl der Gemeinsamkeit, Nähe und der Liebe. Und wer diese Seelenverwandtschaft erleben durfte oder erlebt, weiß das es sich hier um eine Spielart zwischenmenschlicher Beziehung handelt, die man gemeinhin Liebe nennen kann.

Platonisch, rein freundschaftlich, mit oder ohne erotische Elemente. Manchmal manipulativ, taktisch und strategisch.  Die Chinesen (eigentlich ein Chinese aus der Tang-Zeit, ob Xi Jinping   das ebenso bestätigen wollte, sei dahingestellt) formulierten das einmal so:

                      Frage andere nicht, ob sie dich lieben wollen.  Liebe sie                                                              unmittelbar  und verdiene Ihr tiefstes Gefühl.

Fast möchte man das dem einen oder anderen Autokraten entgegenrufen. Bei den Meisten wäre es vergeblich. Zeitgenossen wie Trump, Erdogan oder Orban würden darüber lächeln. Söder würde überlegen, ob ihm das Lächeln politisch schaden könnte, und es erst dann „anwenden“.

Aber dieser ernüchternde Blick sollte einen selber nicht davon abhalten das Leben als einen positiven, gestaltbaren Weg zu sehen.

Die Realität ist erschütternd. Mit Machtmenschen und Narzissten kann man nicht verhandeln. Auf den Anderen zuzugehen wird dort als Schwäche wahrgenommen. Trotzdem sollte man nicht verzeifeln, den Menschen  weiterhin im Vordergrund sehen. In seiner Widersprüchlichkeit, auch in seiner Verweigerung andere zu sehen und zu beachten. Ob es dann für gute Beziehungen, Freundschaft oder mehr reicht, muss sich ergeben. Muss man behaarlich verfolgen.

Und wenn das nichts bringt, muss man sich schützen. Auch mit geeigneten Mitteln. Die Sentenz der Römer, „si vis pacem para bellum“, gilt auch nach über 2000 Jahren, da hilft das Mahnen der Friedensbewegung nicht und ohne diese Vorbereitung würde die Ukraine wohl das Schicksal der Krim bereits teilen.

Anfangen muss man bei sich selber. Sich wahrnehmen und schätzen.  In der Psychologie kennt man das auch unter dem Begriff der Introspektion, im gesellschaftlichen Kontext sollte, dem noch der Aspekt der Bescheidenheit folgen. Kein Zug der Zeit. Jedenfalls drängt sich dem Betrachter dieses negative Bild häufiger auf als es einem lieb ist. Und in satten Gesellschaften findet sich häufig genug auch der Spruch „Bescheidenheit ist Dummheit“.

Satte Gesellschaften neigen zur Selbstüberschätzung. Senecas Anleitung zum Verzicht und der Affektkontrolle  täte manch einem gut, würde vielleicht zur Erkenntnis führen, dass Weniger Mehr sein kann.

So muss man als Gesellschaft fast – ironisch gemeint – auf Krisen warten, um Änderung zu provozieren.

Und von denen haben wir nun in der Tag genug.

Spekulative Blasen – ob die aktuelle Immobilienblase platzt ist noch abzuwarten, aber die steigenden Finanzierungszinsen werden sich wohl noch bemerkbar machen –  Corona, Lieferengpässe und existentielle Energiefragen, wildgewordene Autokraten wie Putin, der zehntausende seiner Mitbürger in den Tod schickt und an Mao Tse Tungs Menschenverachtung im Koreakrieg erinnert (auch wenn dort hunderttausender Chinesen ihr Leben ließen ) oder Erdogan, der sicht gerade wieder mit seinen direkten Nachbarn anlegt. Der auch nicht davor zurückschreckt nun Athen  als Stadt zu bedrohen. NATO Partner hin oder her. Vor einigen Monaten beschränkte er sich darauf nur militärische Muskelspiele vor Zypern zu avisieren. Nicht zu vergessen die (vordergründig) religiösen Regime im Iran, Syrien oder Afghanistan, die den Exodus ihrer Jugend verursacht, der zum Migrationsdruck in den europäischen Staaten führt. Und all das überlagert von extremen klimatischen Veränderungen, die die Welt an die Grenzen der Innovationskraft (nicht des Wachstums, das hatten wir im Anwurf bereits in den 70er – und haben auch einiges erreicht) treiben dürfte.

Sattheit, Reizüberfluten, Druck durch eine Vielzahl von Umständen, die der Einzelne oftmals (zumindest scheinbar) nicht beeinflussen kann.

Und trotzdem: es gibt keinen Grund gleich zu Verzweifeln. Die Welt, unsere Gesellschaft und ziemlich viele in den Gesellschaften der Welt (der gnzen Welt !) hatten, haben und werden die Vielzahl der Probleme angehen und lösen. Im Kleinen und Schritt für Schritt an der Bewältigung arbeiten.

Was jeder für sich beachten kann und sollte, ist die Beschränkung auf das wirklich Notwendige. Das Hinterfragen, ob man dieses oder gerade dieses und dann noch sofort benötigt. Just in Time? Warum? So viel? Wenn man dem Vertreter einer christlichen Religion – Karl Rahner – glauben darf, ist die Politik der Zerrspiegel der Individualinteressen und damit dann doch auch durch jeden einzelnen von uns beeinflussbar.

Die Logik des Misslingens liegt (auch) in der fehlenden Distanz zu sich selber und der Überhöhung der eigenen Interessen. Vielleicht der Punkt in dem sozialen Engagement eben auch mit Liebe zum Menschen zu tun hat.  Und hier schließt sich der Kreis: Respekt und positive Selbstwahrnehmung sollte zu einer respektvollen und positiven Wahrnehmung der Anderen führen. Ob man die Welt stoizistisch, konfuzianistisch oder im Sinne der abrahamitischen Religion betrachtet, als Buddhist oder Hinduist oder dem Sufismus folgt. Eine gemeinschaftliche Lösung der Fragen, die uns und die ganze Welt betreffen, kann nur gemeinsam erfolgen. Dabei darf man den Menschen auch in seiner Ambivalenz sehen. Als Kennedy seine bekannte Aussage

                                 Frage nicht was dein Land für dich leisten kann,                                                     sondern was du für dein Land leisten kannst

(Rede bei seinem Amtsantritt 1961) aussprach, stand er in Washington auf den Stufen des Capitols, sprach zu den Amerikanern und der Welt (erstmals per Fernsehkameras übertragen) und hatte das Schweinbuchtdebakel (das er verursachte) und die Kubakrise (die er erfolgreich löste) noch vor sich. Dass machte seine richtige Aussage nicht besser und nicht schlechter. Und ob sie nun ursprünglich von Sorrensen seinem Redenschreiber stammt oder seinem alten College-Direktor, zeigt nur dass er nicht der einzige ist, der sie wahrnahm. Es bleibt eine Herausforderung für jeden von uns.

Packen wir es an.

ein geruhsahmes Fest und einen guten Rutsch nach 2023.

 

 

 

Das Lieferkettengesetz – eine Drohung am Horizont?

Eine der vielen Ausschüsse (diesmal der interministerielle) der Bundesregierung tagte im Juli 2020, um die Befragungsrunde des NAP (Nationaler Aktionsplan Wirtschaft + Menschenrechte) zu diskutieren. Das nur ein Bruchteil der teilnehmenden Unternehmen danach die Anforderungen an die unternehmerische Sorgfalt in Bezug auf die Menschenrechte erfüllte beunruhigte die Ministeriellen. Und nun soll es kommen: das Lieferkettengesetz.

In der freiwilligen Vereinbarung galten bisher fünf Kernelement,

  • Eine öffentliche Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte
  • Verfahren zur Ermittlung tatsächlicher und potentiell nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte
  • Maßnahmen zur Abwendung potentiell negativer Auswirkungen und Überprüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen
  • Berichterstattung
  • Einrichtung eines Beschwerdemechanismus für Betroffene

Altmeier, die Verbände und sicher einige Unternehmen sind dagegen, dass diese (bürokratische) Vorgaben verpflichtender Teil der Unternehmensplanung werden muss, Heil und Müller fordern die Erfüllung des Koalitionsvertrages. Hayek würde – zu Recht – damit die Fortschreibung der Planwirtschaft ins Ethische  annehmen und Müller-Armacks, Eucken oder Röpke – als Vertreter einer ethischen, sozialen Marktwirtschaft – würden darauf verweisen, das Wettbewerb und Preisfunktionen die richtigen Steuerungsmittel sind.

Das nichtoffizielle Eckpunktepapier des Arbeitsministeriums sieht dabei vor, dass alle Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter und sofern sie in Deutschland ansässig sind die 5 Kernelemente in ihre Unternehmensprozesse integrieren, im Internet darüber berichten und die Aktivitäten darlegen muss. Dass die Unternehmen dazu von einer Behörde kontrolliert werden müssen, versteht sich fast von selbst. Auch wenn die Sorgfaltspflichten nicht verabsolutiert werden sollen, sondern ein Bemühen ausreichen würde, um die Pflichterfüllung zu konstatieren. Aber es ist eine Bußgeldpflicht angedacht und der mit den Maßnahmen verbundene Kostenaufwand ist nicht zu unterschätzen.

Da es sich hier nicht um die Frage der eigenen Produktionsstätte handelt, sondern die Einwirkung auf den Sublieferanten verlangt wird, lassen sich leicht Szenarien denken, in denen Sublieferanten mit relevanten Lieferanteilen (in der Menge oder weil es Schlüsselzulieferprodukte sind) existieren, bei denen der Abbruch der Beziehung Auswirkungen auf das eigenen Unternehmen hat. Nicht nur auf der Kostenseite, sondern auch bei der Verfügbarkeitsfrage, und damit verbundener Lieferstörungen. Solche Konsequenzen haben wir gerade eben erst im Rahmen der aktuellen Corona-Krise erlebt (man denke an die fehlenden Masken wegen Lieferverweigerung in Tschechien und daraus resultierende Engpässe im klinischen Bereich). Was hier anklingt ist die Fragen des Risikomanagement, die von solcher gesetzlichen Regelung ausgehen kann.

Auch wenn der Schutz u.a. „nur“ bezüglich Kinder- oder Zwangsarbeit, Diskriminierung (ein weites Feld) und Arbeitsschutz oder Verstößen gegen die Versammlungsfreiheit besteht, ist der Interpretationsspielraum in den meisten Begrifflichkeiten extrem weit. Was macht man zudem, wenn man von Zulieferungen aus Xinjiang Kenntnis hat, schlimmer noch in Xinjiang selber einkauft oder produzieren lässt? Das ist dann möglicherweise auch noch ein Imageschaden. Neben den bürokratischen Auflagen und angedrohten Ordnungsgeldern.

In jedem Fall ist es – wenn man davon ausgeht, dass dem Koalitionsvertrag entsprochen wird – zusätzlicher Aufwand, den man nach Verabschiedung des Gesetzes entgegensieht. Das er gar nicht kommt ist nicht zu erwarten. Und grundsätzlich werden sich die meisten Unternehmen auch nicht gegen eine angemessene Ethik ihres Unternehmens verwehren, sie in der Regel bereits heute praktizieren. Die geplante dreijährige Übergangszeit lässt auch später genug Zeit zur Umsetzung. Andererseits sollte man auch insoweit über antizipierendes Krisenmanagement nachdenken. Oder wie die Lateiner sagten „si vis pacem para bellum“.

Die meisten Unternehmen haben sie: Unternehmensgrundsätze. Das zu erweitern dürfte den Wenigsten schwer fallen und ließe sich auch in den jeweiligen internen Audits einbinden. Und das würde auch die – wahrscheinlich – effizienteste Möglichkeit eröffnen in diesem Strukturierungsprozess Eckpunkte zu diskutieren, die den zu erwartenden Vorgaben des Lieferketten-gesetzes Grenzen setzen. Nicht alles was man seitens der Politik wünscht ist mit einer berechtigten ethischen Forderung zu verbinden. Deutschland oder Europa ist auch nicht der Retter der ganzen Welt. Die Arbeitsschutzprobleme und Diskriminierung in Drittländern sind vornehmlich dort zu lösen: im Drittland. Das muss man unterstützen, aber man muss akzeptieren, dass dort andere kulturellen Tradition, abweichende gesetzliche Grundlagen bestehen können, die unüberschaubare Abgrenzungsprobleme nach sich ziehen werden. Neben der Problematik wirklich Einfluss auf den Lieferanten nehmen zu können. Der Okzident sollte sich vor der Arroganz des „besser Wissens“ hüten.

Nicht wenige sollten für alle entscheiden, sondern der Wettkampf der Ideen aller sollte über den Weg entscheiden. Hier in Europa ebenso wie am Ort der Sublieferanten, China, Bangladesch oder der Türkei.

Es ist zu überlegen, dass man sich im Vorfeld gegen die Auswüchse des Lieferkettengesetzes argumentativ und faktisch zur Wehr zu setzen und wenn man kann sollte man das in den eigenen Produktions- und Organisations-prozess zu eskomptieren.  Antizipatives Krisenmanagement. Das erspart Kosten und hektisches Handeln, wenn es ernst wird.