Keine Generationenfrage, sondern ein Gesellschaftszustand

1. Generation X,Y, & Z

Aktuell und anzunehmenderweise auch für die nächsten Jahre, wird die Beschaffung geeigneter Mitarbeiter die kardinale Frage im Bereich Personal darstellen[1]. Dabei ist der, in letzter Zeit häufig zu hörenden, Ansatz einer mehr freizeitorientierten Generation Z (oder deren Vorläufer, X&Y) eher weniger geeignete eine Lösung für das Problem und den Umgang mit jüngeren, mittelalten Mitarbeitern zu liefern.

Das Thema der „Jugend“ oder der „Jungen“, als vermeintlich oder real weniger leistungsfähigem Teil der Bevölkerung ist keine Erfindung der Neuzeit. Dem Thema geht die Welt zumindest seit den Zeiten der Sumerer[2] nach. So kann man denn auch Sokrates und Platon zitieren, die meinten,

„Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer“ (Sokrates, 470-399 v.Chr.)

„Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. (Sokrates, 470-399 v.Chr.)

„[…] die Schüler achten Lehrer und Erzieher gering. Überhaupt, die Jüngeren stellen sich den Älteren gleich und treten gegen sie auf, in Wort und Tat“ (Platon, 427-347 v. Chr.)[3]

 

..(auf die Frage an einen Vater, warum er seiner Tochter nicht den gewünschten Porsche kauft) ..meine Tochter möchte da anfangen wo ich aufgehört habe, ohne die Vorleistung zu erbringen (Zitat eines Mandanten in den 80ern, GHP).

Offensichtlich reicht also die Tatsache einer gewissen Renitenz, einer Art von Respektlosigkeit oder eine Neigung zu einer – neudeutsch formuliert – work-life balance[4] nicht aus, um den Kandidaten den Stempel „leistungsunwillig“ oder „freizeitorientiert“ aufzudrücken. Wenn diese Ansicht in der Welt schon seit tausenden Jahren existiert und die Beurteilung sich fortschreibt, muss es ein Umstand sein, mit dem man gelernt hat umzugehen. Und das muß eben auch die heutige Gesellschaft.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Diskussion der Arbeitszeitverkürzung. Die kennen wir im besonderen Maße seit den 80er und nun wieder verstärkt in bestimmten Bereichen[5], aber eben auch allgemein in der Großindustrie, dem Mittelstand bis zu kleineren Handwerksbetrieben[6].

Offensichtlich ist die 60 Stundenwoche[7] nicht mehr im Fokus der arbeitenden Bevölkerung (und eben nicht nur der sogenannten Generationen X, Y & Z). Wenn es aber ein allgemeiner Zeitgeist ist, kann das die Suche nach einer Lösung für das Problem der Beschaffung der richtigen Mitarbeiter signifikant beeinflussen. Dann ist der Focus mehr auf die ermittelten Ursachen in der Breite der arbeitenden Bevölkerung zu legen und nicht auf die trendigen Fragen nach der Ausrichtung der Generationen X, Y, & Z.

Identifizierbar ist vielleicht in erster Linie eine allgemeine Verringerung der Frustrationstoleranz und das im Besonderen bei eben diesen vermeintlich richtig identifizierten Generationen. Eine Lebenseinstellung wohl auch unterstützt durch den eigenen (Lebens-)Erfahrungshintergrund, der eher weniger existentielle Fragen aufwarf als bei der Generation der Babyboomer[8]. Aber eben nicht nur bei diesen Generationen, sondern auch bei Menschen, die in den 60ern geboren sind. Die Ursache hat vielfältige Gründe. Summerhill’s Antiautoritarismus, Helikopter Eltern und eine Tendenz zur Überfürsorglichkeit, die den Alltag der jüngeren Generationen seit den späten 60ern heimsuchte, dürften ihren Anteil daran haben.[9]

Gerade die geminderte Frustationstoleranz dürfte ein Ansatzpunkt sein, den es lohnt weiterzuverfolgen.  Aus ihr ergibt sich wahrscheinlich auch die besondere Wechselbereitschaft vieler Leistungsträger. Im Umkehrschluss sollte es also bei der Recrutierung und Führung darauf ankommen die Leistungsanforderungen so zu tarieren, dass eine schrittweise Adaption möglich ist und in der Akquisition einen Ductus zu finden, der diesen Aspekt auch vermittelt.[10]

Inwieweit die allgemein diskutierten Aspekte der Generationen/Kohorten X, Y, & Z prägenden Einfluss auf eine Beurteilung haben oder nicht vielmehr implizit auch Ausdruck einer gesellschaftlichen (Gesamt-)Einstellung widerspiegelt[11], muß man sich fragen.

Daran wären vielleicht auch einzelne Maßnahmen im Rahmen der Mitarbeiterakquisition  anzuknüpfen.

Trotzdem muss man die Analyse der Generationen nicht außer Acht lassen.   Als ein Beispiel für eine verbreitete Sicht auf die Generationeneinteilung:

Statt Vieler Boris Kasper:

.. Generation Y. Sie wurde stark emanzipiert, sehr fürsorglich und extrem wertschätzend erzogen. Sozusagen in die Wiege gelegt wurde ihr die ständige Einladung zur Mitbestimmung und Teilhabe: An ihrer Erziehung, in den aufkommenden sozialen Medien – und auch durch gesellschaftliche Megatrends wie soziale und Gender-Gleichstellung, globale Vernetzung und die Digitalisierung. Weil sie als erste Generation von Anfang an in einer digitalisierten Welt aufgewachsen ist, wird die Generation der Ypsiloner auch Digital Natives genannt. Genau diese positive (Aufbruch-)Stimmung der Industrie- und Erlebniswelt 4.0 mit ihren unzähligen Partizipationsmöglichkeiten und der Verheißung, alles sein nun möglich, hat diese Generation zu besonderen Optimisten gemacht. Sie möchte ihre Welt spielerisch und möglichst frei mitgestalten.

Die … Generation Z. Auch sie wurde mit großer Wertschätzung erzogen, allerdings hat sich die Aufmerksamkeit ihrer Eltern zu einer Überfürsorglichkeit gesteigert – Stichwort Helikopter-Eltern. Während sie daheim also allzu gut behütet aufwuchsen, prägten sie von außen gleichzeitig die Bedrohungen von Klimawandel und Terror sowie auch sich wieder verhärtende und ausgrenzende politische und gesellschaftliche Agitation. Statt der glorreichen digitalen Auf- und Umbruchstimmung erlebten sie bereits die ersten Schattenseiten der Digitalisierung, auf den sie mit bewusstem Teilverzicht und einer teilweisen Rückbesinnung auf traditionelle Medien reagieren. Die Gen Z – sie hat erkannt, dass die versprochene digitale sowie auch die gesellschaftliche Teilhabe oftmals nur Illusion geblieben sind. Das hat sie zu äußerst kritische Realisten gemacht. Ihre scharfe Weltsicht gemischt mit der überfürsorglichen Erziehungsprägung führt zu ihrem starken Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität.

  1. Anspruch an Arbeitswelt: Work-Life-Blending versus Work-Life-Separating Die Erwartung an gelebte Freizeit unterscheidet Generation Y und Gen Z wesentlich

 Der Generation Y sind statt Statussymbolen und Gehalt eine intensiv gelebte Freizeit und die Option, diese flexible einzuteilen, wichtig. Darum wünscht sie sich ebenso flexible Arbeitsmodelle. Sie strebt nach Selbstverwirklichung und will sich im Job persönlich einbringen. Die Generation Y erwartet von ihrem Arbeitsplatz, dass sie dort berufliche und private Interessen sowie eigenen Werte leben kann: Sie will ihr Leben nicht von der Arbeit trennen – sondern in Work-Life-Blending, dem Vermischen von persönlicher Frei- und beruflicher Arbeitszeit, in einander übergehen lassen. Darum ist ihr Arbeit wichtig, die Sinn hat und so ihrem Sein Sinn gibt. Die visionäre Sinnsuche und der Ehrgeiz, selbstbestimmt die besten Lösungen zu entwickeln, ist charakteristisch für die Genration Y.

Auch der Generation Z ist ihre lebenswerte Freizeit äußerst wichtig. Doch anders als die Generation Y möchte sie Freizeit nicht mal hier, mal dann zwischen der Arbeit erleben, sondern möglichst weit und klar von der Arbeitszeit abgrenzen: Die Gen Z möchte nicht flexibel arbeiten, sondern im Gegenteil zeitlich sowie inhaltlich strukturiert. Aus Work-Life-Blending macht sie ein striktes Work-Life-Separating. Von ihrem Arbeitsplatz erwarten sie darum eine klare Trennung von privatem Leben und Beruf sowie verbindliche Freizeit-Regelungen. Selbstverwirklichung sucht sie nicht im Arbeitsleben, dennoch soll auch für die Gen Z der Job zu ihren individuellen Fähigkeiten sowie Werten passen. Auch für sie spielt Sinnhaftigkeit eine große Rolle – nur möchte sie diesen Sinn im Job nicht zwingend selbst suchen, sondern nachvollziehbar erklärt bekommen.

  

  1. Leistung und Motivation: Teilhabe versus Zuteilung

Ein anderer Wille nach Teilhabe gehört zu den Unterschieden zwischen Generation Y und Gen Z

 Die Generation Y fordert von ihrer Arbeitswelt sowie von ihrer Führung in hohem Maße Teilhabe, also Mitbestimmung und -gestaltung: an Prozessen, Strategien und Zielen – und den dafür optimalen Lösungswegen. Sie lehnt feste Strukturen ab und will sich stattdessen in möglichst agilen Teams und in flexibler Projekt-Arbeit selbst organisieren. Dafür braucht sie eine hierarchielose Atmosphäre, den Expertenaustausch auf Augenhöhe und Leadership, das sie zum Bestmöglichen empowert. Die Generation Y wünscht sich Kollegialität und familiären Team-Spirit: Das und ihre persönliche Entwicklung sind ihr wichtiger als bloßer Karriere-Aufstieg.

Derartige Beschreibungen sind relativ und das muss man bei der Analyse berücksichtigen. Ob man seine persönliche Biographie danach orientiert Arbeit & Privates in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten oder Phasen intensivster Arbeit vor- oder nachgelagert zu privateren Zeiten gestaltet, Arbeit als Beruf und/oder Berufung betrachtet oder philantrophisch der Kunst, der Familie den hauptsächlichen Teil seiner Zeit widmen will, entscheidet die betreffende Person. Im Gegensatz zu den 70er (oder früher) ist der Ductus der Gesellschaft insgesamt auf eine offenere und primär auf Selbstentscheidung basierende Gestaltung hin orientiert und damit im Ergebnis vielfältiger. Aber nicht anders. Die Selektion der Typologien von Mitarbeitern und das Auffinden ist schwieriger und in einer Übergangsphase durch die Anzahl der Nachfrager beschränkt. Gerade in diesem Zusammenhang sind Hilfsmittel zur Analyse, Förderung und Führung von Mitarbeiter (auch eine KI) ein überlegenswerter Lösungsansatz. Die Vielfalt der Lebensentwürfe (die hatten wir früher auch, spätestens nach Einstellung und als passive Leitlinie) sind nicht das Problem, sondern die Lösung[12].

Jedes Unternehmen muss seinen Bedarf finden, identifizieren und darauf ausgerichtet für den Markt ein Konzept der Selbstdarstellung entwickeln. Das kann und darf nicht nur auf die Generationenkategorisierung ausgerichtet sein, sondern sollte auch andere gesellschaftliche Gruppen – z.B. die „Früh“Rentner, silver liner – mit einbeziehen und motivieren. Und das sollte man nicht als schon bekannte Platitude betrachten sondern als Auftrag an die Unternehmen detaillierte Maßnahmen zu erarbeiten, um die richtigen Zielgruppen anzusprechen und zu motivieren. Und man sollte sich nicht auf das vermeintlich offensichtliche der Generationsfrage beschränken, sondern den gesellschaftlichen Zustand in Bezug auf die Frage von Arbeit, Leistung und Beruf(ung) beachten.

[1] Das ist bereits seit Längerem so, wird sich aber noch verschärfen.

[2] Dieser historische Ausflug sei hier erlaubt.

[3] Wenn es interessiert u.a. (mit weiteren Hinweisen auch auf Aristotels und eben die Sumer), https://bildungswissenschaftler.de/impressumurheberrecht/

[4] Etwas das wir alle wohl mehr oder minder schon einmal durchdacht haben, teilweise auch leben und das den Altvorderen auch nicht unbekannt gewesen sein dürfte und das sich in letzter Zeit wieder in die andere Richtung dreht

[5] Das gilt nicht nur für die Lokführer der GDL, sondern findet sich auch bei vielen anderen kleinen und großen mittelständischen Unternehmen. Wir haben in den 80er + 90er selber das Angebot eine anderen Arbeitsstruktur (z.B. 4 x 10 Stunden, ein Tag frei; ab den 90er auch zusätzlich ein oder zwei Tage Home Office) in unseren Unternehmen und mandatierten Unternehmen mit einigem Erfolg praktiziert.

[6] Unlängst reüssierte ein Fensterbauer mit 20 Mitarbeitern mit der 4 Tagewoche bei vollem Lohnausgleich.

[7] Dessen Minimierung war selbstverständlich nicht nur in den 50er ein legitimer Anspruch und die Tatsache, dass auch in der Generation Z genauso viele Burn Outs trotz oder wegen der Work-Life-Balance eben dieser Generationen gibt.

[8] Interessante Lektüre zu diesem Thema: Bude, Abschied von den Boomern

[9] Im Grunde ist die Ursache nur zweitrangig, kann aber helfen die Methoden zu entwickeln die Mitarbeiter an diesem Punkt abzuholen.

[10] Ebenso wie bei vorangehenden Generationen sind die Kriterien der Berufswahl variant. Pekuniäre Interessen finden sich dort ebenso wie die Ansicht, dass ein Beruf auch Berufung sein kann, es kommt als darauf an zielgruppenkonforme Darstellungen zu finden.

[11] Meiner Meinung nach hat sich das Rekurrieren „auf ein bestehendes oder behauptetes Recht auf Teilhabe und Versorgung“ in den letzten Jahrzehnten nachhaltig vermehrt. Ein Ausdruck von Menschen, die Verantwortung eher abgeben wollen, als wahrnehmen.

[12] Vielleicht ein wenig weit hergeholt: aber ein ähnliches Thema hatten wir in der sich entwickelnden Automatisierung und daran anschließend der „Fertigung auf Bestellung“ und deren Einspeisung in die Produktion.

Büroorganisation seit den 80er Jahren

ChatGPT ist in aller Munde: hier ein Versuch digital vs. human. Die Anforderungsstichworte wurden dem ChatGPT System zur Verfügung gestellt und mit dem weiter unten stehenden Ergebnis. Die digital erstellte Version ist als eigener Beitrag separat dargestellt.

Stichworte: Arbeitsmittel seit den 80ern und ihre Konsequenzen; Telefon und Fax beschleunigen und behindern, der Computer findet seinen Weg, von der Schreibmaschine zum Textprogramm, die 90er-Jahren, Handy und Multiplan und die 2000er mit Smartphone

[hier die „human-produzierte“ Version]

Die technische Entwicklung

Die Arbeitsorganisation im administrierenden Bereich von Unternehmen, teilweise auch bei  öffentlichen Arbeitgebern, haben sich seit dem 19. Jhdt. rasant entwickelt. Das ist in den Arbeitsabläufen und dem äußeren Erscheinungsbild in der Administration zu erkennen. Begründet ist das neben organisatorischen Entwicklungen im Administrativen auch in den Grundlagen der  Entwicklung im Produktionsbereich (z.B. seit den 2000er auf Grund des Konzeptes der Arbeit 4.0.). Während im 19./20. Jhdt. der Produktionsprozess (schneller, kostengünstiger und mehr Ausstoß bei gleicher oder höherer Qualität) im Vordergrund stand, haben sich die Anforderungen zum Ende des 20ten Jahrhundert (auch und teilweise priorisiert) auf die Gesundheit und die Zufriedenheit der in den Arbeitsprozess eingebundenen Menschen konzentriert. Worklife balance ist zwar als „moderner“ Begriff erst in den letzten 2010er-2020er Jahren relevant geworden, war der Sache nach aber seit den späten 1950er durchaus schon als Kriterium vorhanden (man erinnere sich an die Forderungen der Gewerkschaft, das „Vati am Sonntag“ den Kindern gehört oder den Begründungen zur 35 Stundenwochen, über deren Berechtigung man durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann, die aber Ausdruck eines „ausgewogenen Verhältnisses zwischen Arbeit und Freizeit“ darstellte.

Dvd Tiempos Modernos ( Modern Times ) 1936 - Charlie Chaplin - $ 119.00 ...Optimierung und Effizienz haben damit nicht ihre Bedeutung verloren, sind aber eingegrenzter und (auch) auf den Menschen gerichtet. Die industriellen Entwicklungen der Produktion eine T-Modell von Ford (man erinnere sich an die cineastische Aufarbeitung durch Charly Chaplins „Modern Times“) griffen auch auf die Büroorganisation über.

Die wirkliche Beschleunigung und effektivere Ausgestaltung der administrativen Tätigkeiten kamen aber erst seit den 1960er/70er Jahre zum Tragen. Ein Zeitpunkt in dem „Lochkartenverarbeitungen“ und  „Rechenzentren“, Just in Time Produktion am Band, dem Menschen ein Tempo oktroyierten, dass er immer weniger selbst zu bestimmen schien.

Die (behauptete) Abkehr, zumindest die teilweise Minderung, von hierarchischen Arbeitsstrukturen schuf mit der Zeit eine anderen Ansatz. In den Fokus gelangte die Arbeitszufriedenheit als Motivator für effizientere und qualitativ bessere Arbeitsergebnis. Die Vorstellungen der Managementtheorien eines Peter Druckers wurden mehr und mehr zu team- und personenbezogenen Steuerungsstrukturen erweitert. Aus Sicht der Unternehmen mit der Gefahr, das eigentliche Ziele des Kontraktes zwischen ARBEITnehmer und ARBEITgeber aus dem Auge zu verlieren.

 

Technologie in der Administration beschleunigt die Arbeitsabläufe

Wir leben in einer Welt, in der Technologie die Arbeit erleichtert und die Geschwindigkeit der Arbeit erhöht. REFA Techniken, die in den 1970er und 1980er jeden Betrieb „beherrschten“ (und selbstverständlich auch heute nicht aus den Prozessen wegzudenken sind), waren und sind nicht primär auf die Büroorganisation ausgerichtet, aber sie  wirkten und wirken sich immer auch darauf aus.

Als die ersten Tabellenkalkulation (z.B. Programme wie Multiplan, einem Vorläufer von Excel) sich verbreiteten und komplexe Rechenoperationen für normale Anwender zugänglich wurden, ging das einher mit einer intensiveren Selbstbeschäftigung mit diesen Möglichkeiten bis hin zur (freiwilligen) Selbstausbeutung.

Spätestens seit dem „intelligent“ gestaltete Anwendungsprogramme die Funktionen von Aufgabenzuordnungen, Wiedervorlagenverwaltung und Controlling wie selbstverständlich mitübernehmen (oder übernehmen können) ist der Begriff der Selbstorganisation (und damit die Gefahr der Selbstausbeutung, die nicht immer im Interesse der ArbeitGeber Seite liegen) in einem anderen Zusammenhang zu interpretieren. Aber selbst die Einführung von Zeichen- und Notiz-Software, digitaler Stifter (vom eBleistift, eFüller bis zum ePinsel) hat nicht dazu geführt, dass echtes Papier, mit  graphitgefülltem Bleistift und kautschukbasiertem (ja, die gibt es noch) Radiergummi ihre Funktion vollständig verloren hätten. Warum nach wie vor erhebliche Reminiszenzen und Artefakte erkennbar sind mag an Fragen der cerebralen Begründung von Lerntheorie (z.B. Verbindung zwischen manuellem Schreibvorgang und Speicherung des Erlernten) liegen, vielleicht auch nur an der fehlenden Ausstattung mit technischen Geräten (nicht jedem steht immer ein Smartphone zur Verfügung) oder der aktueller Verfügbarkeit in einer konkreten Situation. Vielleicht wird Sprachsoftware und Aufzeichnungsmöglichkeiten einen weiteren Rückzug des Analogen bewirken. Ob dann die technischen Formate und Darstellungsgeräte die hundert oder tausendjährige Dauerhaftigkeit eines handgeschriebenen Briefes oder eine gedruckten Buches, eines Papyrus, erlaubt mag man bezweifeln. Schon heute scheitert die Lesbarkeit einer Quelle der 1980er oft am Speicherformat zu scheitern. Ein Buch aus dem letzten Jahrhundert zu lesen, ist dagegen für die meisten ein „Kinderspiel“. Aber das ist eine andere Fragestellung.

In jedem Fall hatte die Einführung technischen Lösungen für Verwaltungsaufgaben eine Automatisierung standardisierbarer Abläufe zur Folge. Spätestens seit der Verbreitung sich selbst entwickelnder Algorithmen (gemeinhin Artificial Intelligence oder künstliche Intelligenz) geht es auch darüber hinaus. Wie weit wird die Zeit zeigen. Auch wie weit das die Egalisierung und GleichFormung zur Folge haben wird.

Aber die Möglichkeit einer Automatisierung beinhaltet nicht die automatischen Anpassungen der sekundären und tertiär damit zusammenhängenden Prozesse und Arbeitsabläufe. Dieser Aufwand, den Techniker und Vertriebsabteilungen gerne mal „vergessen“ führt zu einer Kaskade von Veränderungen im Umfeld der neuen Technik. Auch und gerade im Bereich der Administration. Und damit nicht genug: auch die sozialen Interaktionen hatte in der Vergangenheit Konsequenzen. Man erinnere sich nach der Einführung von Faxgeräten, an den unmittelbar nach Übersendung folgenden Anruf, ob man den 30-seitigen Auftrag/Vertrag schon gelesen habe. Heutzutage gilt das für sein Pendent, die eMails. Die man gelesen haben sollte, sobald sie den Empfänger erreicht haben. Zustellnachrichten mit Zeitstempel tun ihr Übriges zum Leistungsdruck. Nachfragen bei großzügig verteilten WhatsApp Einladungen. Das führt zu einem Beschleunigungsdruck, der einerseits die Beschaffung des jeweils neuesten technischen Gerätes verlangt und andererseits deren Einsatz einfordert. Sozial einforderbar macht.

Im Ergebnis wird der berufliche Teil durch entsprechende Reaktionsanforderungen getriggert, bestimmt und kontrolliert, und weitet sich in den privaten Bereich aus. Freiwillig, manchmal mit leichtem Druck oder auch mit gesellschaftlicher Einforderung eines – angeblich – sozialnützigen Verhaltens („wie Sie haben keine Instagram und keinen Twitter-Account?“).

Ob die Arbeitsabläufe komplexer geworden sind kann man kontrovers diskutieren, dass sie dynamischer geworden sind, dürfte auf eine breite Zustimmung treffen.

Man dürfte auch mit der Annahme, dass das aus der Vielzahl der verschiedenen Änderungsmotoren (neue Versionen von Programmen, mit immer wieder notwendigen Anpassungen der eigenen, unmittelbare Folge- und Zuführungsprozessen oder der Vielzahl der auf den Prozess einwirkenden Operatoren, kurzfristig sich ändernde Kundenanforderungen, gesetzliche Vorschriften, Veränderung der Herstellungs- und Lieferzeiten) herrührt, nicht ganz falsch liegen. Und gerade wegen der Vielzahl der sich scheinbar permanent ändernden Anforderung in kurz Zeittakt entsteht dann das was allgegenwärtig ist: Streß und echter und vermeintlicher Leistungsdruck.

ATMOS DU MILLÉNAIRE. Jaeger LeCoultre. Schweiz. 2000. Glas, Chrom und ...Nicht die „surrenden Maschinen“ oder „tickernden Uhren“ sind das Problem.

Die Bereitschaft den Trigger abzuschalten, durchzuatmen und auf Abstand zu gehen, wäre ein Lösungsansatz.

Ob es im Sinne einer erweiterten Sicht von Ansätzen der Freiburger Schule der sozialen Marktwirtschaft eine Aufgabe des Management ist sich mit den Fragen der Work-Life Balance der Mitarbeiter zu beschäftigen kann man ambivalent sehen. Als Gesichtspunkt beim Recruiting oder landläufig der Personalbeschaffung ist es aber ein notwendiger Faktor. Insbesondere in Zeiten eines Nachfragemarktes, kann sich ein Unternehmen nicht erlauben diesen Aspekt zu vernachlässigen. Genauso dürfte die Frage der (Eigen-)Verantwortlichkeit für den Feierabend, die abendlichen Mails, die Erfassung (und Einhaltung) der Arbeitszeit, kontrovers diskutierbar sein.

In dynamischen Zeiten eine Frage der Personalbeschaffung und des Erhalts eines ausreichenden und qualifizierten Personalbestandes.

Garniert wird das Ganze auf dem Hintergrund der Globalisierung mit dem Auftreten einer Vielzahl von Sprachen, kultureller + sozialer Anforderungen. Weicher Faktoren. Auch keine geringen Streßtreiber.

Wer nicht mitspielt wird abgehängt. Wer nicht englisch wenigstens auf B-Niveau spricht, bleibt bei vielen Dingen außen vor.

In den 1970ern und 1980ern lebte man noch nach dem Ansatz: angemessene Löhne, bei angemessener Freizeit führen zu positivem Betriebsklima und guten Arbeitsergebnis und Qualität. (Das hat sich auch in der Unterhaltungswelt des Fernsehfilm herumgesprochen:  „Die Wichers von Nebenan“, Serie der 80 er Jahre, S01/ E03 Eberhards Gesundheit), heute hat die Selbstoptimierung, die Marathon Zeit des Mitarbeiters, seine FItnessdaten und die Planung des nächsten Sabbaticals den Vorrang. Ob zu Recht muss man diskutieren. Aber der Fordernde darf nicht vergessen, was der zur Leistung Aufgeforderte leisten kann und will. Ob man das nun angelsächsisch modernisiert als challenge benennt oder von alters her als Herausforderung: es bleibt eine gegenseitige Herausforderung.

Über all die technischen Entwicklungen darf der Mensch nicht in Vergessenheit geraten, aber auch der Mensch, „HR“ auf Neudeutsch, darf nicht vergessen, dass die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft und des Unternehmens ein Prozess des aufeinander zu Gehens darstellt. Den Komfort zwischen landesweit verfügbarer veganer Küche und Bio-Produkten mit vertretbarem Versorgung saufwand kann nur in Anspruch nehmen, wer den komplexen Bereitstellungsprozess der Wirtschaft unterstützt. Geordert sind Bescheidenheit und sachliche und zutreffende Einschätzung.

Sich dem Zeittakt – und damit einem wichtigen Stressfaktore – zu entziehen ist eine konfliktgeeigete Aufforderung an den Mitarbeiter, die das Unternehmen unterstützten kann und sollte. Aus dem Zusammenspiel mag sich dann ein gemeinsamer Weg zur work-life balance ergeben.

Digital hat seine Vorteile, aber eben auch Nachteile. Das Problem ist nicht die digitale Lösung der Fragen moderner Büroarbeit. Das Problem ist der gesellschaftliche Ductus. Die Fragen der Zeit spiegeln sich auch in der Bürowelt, aber sie sind Abbild der Gesellschaft. Löst man die Fragen der Bürowelt, löst man keine gesellschaftlichen Fragen. Die gesellschaftlichen Fragen sind „das Ei“, die Fragendie zuerst gelöst werden müssen.

Manchmal mag der Spruch der Altvorderen eine Überlegung wert zu sein:

Eile mit Weile

Büroorganisation seit den 80er Jahren (AI-Version)

 

ChatGPT ist in aller Munde: hier ein Versuch digital vs. human. Die Anforderungsstichworte wurden dem System zur Verfügung gestellt und liefern das nachfolgende Ergebnis, das wir hier wiedergeben. Die human erstellt Version ist als eigener Beitrag dargestellt.

hier die Stichworte: Arbeitsmittel seit den 80ern und ihre Konsequenzen; Telefon und Fax beschleunigen und behindern, der Computer findet seinen Weg, von der Schreibmaschine zum Textprogramm, die 90er-Jahren, Handy und Multiplan und die 2000er mit Smartphone [Überschriften wurden in der AI Version eingefügt, Absätze gebildet, Schreibfehler im Wesentlichen nicht geändert, soweit kein Verständnisproblem bestand (in zwei Fällen)]

Die technische Entwicklung

Die Entwicklung der Arbeitsorganisation hat die Art und Weise, wie Menschen arbeiten, maßgeblich geprägt. Bereits in den Anfangsjahren der Industrialisierung wurden erste Versuche unternommen, die Arbeitsabläufe zu optimieren und so die Effektivität zu steigern. Die damalige Idee war es, möglichst viele Arbeitsschritte an einem Ort zu vereinen und so die Transaktionskosten zu minimieren. Dies führte dazu, dass sich die ersten Bürogebäude entwickelten, in denen sich Arbeiter an Maschinen oder Schaltern drängten und umherschoben. Diese Form der Organisation war jedoch keineswegs ideal. Sie brachte viele Nachteile mit sich, unter anderem auch Stress und Unzufriedenheit am Arbeitsplatz. Die Menschen fühlten sich eingeengt und hatten keinen Raum für Innovationen oder Kreativität. Das Zusammenarbeiten gestaltete sich schwierig und oft kam es auch zu Konflikten unter den Kollegen.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Art der Arbeitsorganisation jedoch deutlich verändert. Heutzutage versuchen Unternehmen, ihren Mitarbeitern ein möglichst harmonisches und produktives Umfeld zu bieten. Dafür wird viel Wert auf Flexibilität und Austausch gelegt sowie auf Teamarbeit und soziale Interaktionen. Dadurch ist es möglich geworden, Stress am Arbeitsplatz zu vermeiden oder zumindest stark zu reduzieren.

Technologie in der Verwaltung beschleunigt die Arbeitsabläufe

Die Technische Entwicklung der Büroorganisation hat das Arbeitsabläufe geprägt, aber auch die Art und Weise wie Menschen arbeiten. Es ist ein sehr interessanter Prozess, wenn man sich anschaut, wie sich diese technische Entwicklung in den letzten Jahren auf unsere Arbeitsorganisation und -abläufe ausgewirkt hat.

Vor einigen Jahren mussten Mitarbeiter noch anhand von Papier und Stift ihre Aufgaben erledigen. Dies war nicht nur mühsam, sondern auch sehr zeitaufwendig.

Aber mit der Einführung neuer Technologien wurde vieles einfacher und schneller. Durch die Einführung von Softwareprogrammen konnten Mitarbeiter Aufgaben automatisiert erledigen, ohne dass jemand anders eingreifen musste. Dadurch sparten sie viel Zeit und machten ihre Arbeit effizienter als je zuvor. Darüber hinaus konnten Mitarbeiter Zugriff auf mehr Informationen haben und so bessere Entscheidungen treffen.

Aber mit der technischen Entwicklung kamen auch neue Herausforderungen für die Büroorganisation.

Arbeitnehmer müssen nun lernen, mit den neuen Systemen umzugehen und mehr Verantwortung übernehmen. Es ist wichtig, dass alle Mitarbeiter an Bord sind, um eine effektive Arbeit zu leisten – sonst wird es schwer für Unternehmen ihr Potenzial zu entfalten.

Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren Punkt: Mit der technischen Entwicklung steigt auch der Stressfaktor in Bezug auf die Organisation im Büroalltag! Der Druck hat zugenommen, da Mitarbeiter mehr verlangt wird als früher – und dies kann zu Frustration führen. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen vernünftige Maßnahmen ergreifen, um den Stress abzubauen und gleichzeitig effektiv zu arbeiten. Aber trotz aller Herausforderungen hat die Technische Entwicklung der Büroorganisation unsere Art zu arbeiten verändert: Wir können heute mehr Aufgaben erledigen als je zuvor – was uns helfen kann, unsere Ziele effizienter zu erreichen! Und damit können Unternehmen ihr Potenzial voll entfalten und mehr Erfolg haben! Stress ist nicht länger ein Fremdwort. In der heutigen Zeit ist er ein so allgegenwärtiger Teil unseres Lebens geworden, dass wir kaum noch darüber nachdenken.

Doch was genau ist Stress? Stress ist eine Reaktion unseres Körpers auf bestimmte Situationen, die uns Angst oder Unbehagen bereiten. Durch die Entwicklung der Büroorganisation hat sich die Art und Weise, wie wir arbeiten, grundlegend verändert. Die neuen Arbeitsabläufe haben den Stressfaktor nochmals erhöht und die Arbeitsweise des Menschen bestimmt. Früher waren Büros klein und überschaubar. Die Arbeitsabläufe waren einfach und flexibel gestaltet. Jeder kannte seine Aufgaben und war in der Lage, sie zu erledigen. Doch mit dem Aufkommen von Großunternehmen und Industrie 4.0 hat sich dies geändert. Die Büros sind zunehmend größer und unüberschaubarer geworden. Die Arbeitsabläufe sind komplexer und dynamischer geworden. Viele Menschen fühlen sich überfordert und stressiert. Der neue Stressfaktor hat viel mit der technischen Entwicklung der Büroorganisation zu tun. Überall blinken Lichter, surren Maschinen und tickern Uhren. Das Tempo ist hoch, die Anforderungen steigen stetig und es gibt immer mehr E-Mails, Meetings und Telefonate. Lange arbeitet man hier nicht mehr von 9 bis 5 Uhr! Viele Menschen müssen stundenlang am Computer sitzen oder unterwegs sein – oft auch abends oder am Wochenende! Mobiles Arbeiten ist angesagt – doch oft geht es hier nicht um Effizienz, sondern um Druck!

Der digitale Fortschritt hat auch sein Schattenseiten!

Autor: ChatGPT/NeuroFlash

WEIHNACHTSGEDANKEN

Jahresende & ein paar Themen

In Europa sind sie zumeist christlich geprägt, aber sie dürften in allen Kulturen, die auf einer kalendarischen Basis leben, vorhanden sein. Man muss nicht erst den Konflikt zwischen Okzident und Orient bemühen (E.Said, Orientalismus 1978 ) oder den Kampf der Kulturen (S.Huntington, Clash of Civilization), um die Themen zu identifizieren, die die Welt gefährlich umtreiben.

Ob philosophisch, religiös oder nur gesellschaftspolitisch geprägt: das Ende eines Jahres ruft förmlich nach einer Nabelschau. In unseren Breiten, dem gesamtem Westen, häufiger auf das familiäre Weihnachtsfest und die individuelle Situation hin orientiert anderswo, so auch  in China, auf das Neujahrsfest im Januar.

Hierzulande werden zu Weihnachten Besuche und Heimfahrten zur Familie geplant und organisiert, Zwistigkeiten der Menschen zueinander verlieren – für eine kurze Zeit – ihre Wichtigkeit, verschwinden unter dem Mantel eines Wunsches nach Gemeinsamkeit. Nicht immer mit einer langen Haltbarkeit ausgestattet.

Gespeist wird dieser Wunsch nach Friedlichkeit aus einem alten, dem Menschen an sich, innewohnenden Gefühl nach Liebe und Nähe. Von der ist in den Tagen des zu Ende gehenden Jahres oft die Rede. Schon Platon bezog seine Figur der Monade, landläufiger des Kugelmenschen (dem Wunsch des Menschen wieder mit seinem anderen Part zusammen kommen zu wollen) auf das Gefühl der Gemeinsamkeit, Nähe und der Liebe. Und wer diese Seelenverwandtschaft erleben durfte oder erlebt, weiß das es sich hier um eine Spielart zwischenmenschlicher Beziehung handelt, die man gemeinhin Liebe nennen kann.

Platonisch, rein freundschaftlich, mit oder ohne erotische Elemente. Manchmal manipulativ, taktisch und strategisch.  Die Chinesen (eigentlich ein Chinese aus der Tang-Zeit, ob Xi Jinping   das ebenso bestätigen wollte, sei dahingestellt) formulierten das einmal so:

                      Frage andere nicht, ob sie dich lieben wollen.  Liebe sie                                                              unmittelbar  und verdiene Ihr tiefstes Gefühl.

Fast möchte man das dem einen oder anderen Autokraten entgegenrufen. Bei den Meisten wäre es vergeblich. Zeitgenossen wie Trump, Erdogan oder Orban würden darüber lächeln. Söder würde überlegen, ob ihm das Lächeln politisch schaden könnte, und es erst dann „anwenden“.

Aber dieser ernüchternde Blick sollte einen selber nicht davon abhalten das Leben als einen positiven, gestaltbaren Weg zu sehen.

Die Realität ist erschütternd. Mit Machtmenschen und Narzissten kann man nicht verhandeln. Auf den Anderen zuzugehen wird dort als Schwäche wahrgenommen. Trotzdem sollte man nicht verzeifeln, den Menschen  weiterhin im Vordergrund sehen. In seiner Widersprüchlichkeit, auch in seiner Verweigerung andere zu sehen und zu beachten. Ob es dann für gute Beziehungen, Freundschaft oder mehr reicht, muss sich ergeben. Muss man behaarlich verfolgen.

Und wenn das nichts bringt, muss man sich schützen. Auch mit geeigneten Mitteln. Die Sentenz der Römer, „si vis pacem para bellum“, gilt auch nach über 2000 Jahren, da hilft das Mahnen der Friedensbewegung nicht und ohne diese Vorbereitung würde die Ukraine wohl das Schicksal der Krim bereits teilen.

Anfangen muss man bei sich selber. Sich wahrnehmen und schätzen.  In der Psychologie kennt man das auch unter dem Begriff der Introspektion, im gesellschaftlichen Kontext sollte, dem noch der Aspekt der Bescheidenheit folgen. Kein Zug der Zeit. Jedenfalls drängt sich dem Betrachter dieses negative Bild häufiger auf als es einem lieb ist. Und in satten Gesellschaften findet sich häufig genug auch der Spruch „Bescheidenheit ist Dummheit“.

Satte Gesellschaften neigen zur Selbstüberschätzung. Senecas Anleitung zum Verzicht und der Affektkontrolle  täte manch einem gut, würde vielleicht zur Erkenntnis führen, dass Weniger Mehr sein kann.

So muss man als Gesellschaft fast – ironisch gemeint – auf Krisen warten, um Änderung zu provozieren.

Und von denen haben wir nun in der Tag genug.

Spekulative Blasen – ob die aktuelle Immobilienblase platzt ist noch abzuwarten, aber die steigenden Finanzierungszinsen werden sich wohl noch bemerkbar machen –  Corona, Lieferengpässe und existentielle Energiefragen, wildgewordene Autokraten wie Putin, der zehntausende seiner Mitbürger in den Tod schickt und an Mao Tse Tungs Menschenverachtung im Koreakrieg erinnert (auch wenn dort hunderttausender Chinesen ihr Leben ließen ) oder Erdogan, der sicht gerade wieder mit seinen direkten Nachbarn anlegt. Der auch nicht davor zurückschreckt nun Athen  als Stadt zu bedrohen. NATO Partner hin oder her. Vor einigen Monaten beschränkte er sich darauf nur militärische Muskelspiele vor Zypern zu avisieren. Nicht zu vergessen die (vordergründig) religiösen Regime im Iran, Syrien oder Afghanistan, die den Exodus ihrer Jugend verursacht, der zum Migrationsdruck in den europäischen Staaten führt. Und all das überlagert von extremen klimatischen Veränderungen, die die Welt an die Grenzen der Innovationskraft (nicht des Wachstums, das hatten wir im Anwurf bereits in den 70er – und haben auch einiges erreicht) treiben dürfte.

Sattheit, Reizüberfluten, Druck durch eine Vielzahl von Umständen, die der Einzelne oftmals (zumindest scheinbar) nicht beeinflussen kann.

Und trotzdem: es gibt keinen Grund gleich zu Verzweifeln. Die Welt, unsere Gesellschaft und ziemlich viele in den Gesellschaften der Welt (der gnzen Welt !) hatten, haben und werden die Vielzahl der Probleme angehen und lösen. Im Kleinen und Schritt für Schritt an der Bewältigung arbeiten.

Was jeder für sich beachten kann und sollte, ist die Beschränkung auf das wirklich Notwendige. Das Hinterfragen, ob man dieses oder gerade dieses und dann noch sofort benötigt. Just in Time? Warum? So viel? Wenn man dem Vertreter einer christlichen Religion – Karl Rahner – glauben darf, ist die Politik der Zerrspiegel der Individualinteressen und damit dann doch auch durch jeden einzelnen von uns beeinflussbar.

Die Logik des Misslingens liegt (auch) in der fehlenden Distanz zu sich selber und der Überhöhung der eigenen Interessen. Vielleicht der Punkt in dem sozialen Engagement eben auch mit Liebe zum Menschen zu tun hat.  Und hier schließt sich der Kreis: Respekt und positive Selbstwahrnehmung sollte zu einer respektvollen und positiven Wahrnehmung der Anderen führen. Ob man die Welt stoizistisch, konfuzianistisch oder im Sinne der abrahamitischen Religion betrachtet, als Buddhist oder Hinduist oder dem Sufismus folgt. Eine gemeinschaftliche Lösung der Fragen, die uns und die ganze Welt betreffen, kann nur gemeinsam erfolgen. Dabei darf man den Menschen auch in seiner Ambivalenz sehen. Als Kennedy seine bekannte Aussage

                                 Frage nicht was dein Land für dich leisten kann,                                                     sondern was du für dein Land leisten kannst

(Rede bei seinem Amtsantritt 1961) aussprach, stand er in Washington auf den Stufen des Capitols, sprach zu den Amerikanern und der Welt (erstmals per Fernsehkameras übertragen) und hatte das Schweinbuchtdebakel (das er verursachte) und die Kubakrise (die er erfolgreich löste) noch vor sich. Dass machte seine richtige Aussage nicht besser und nicht schlechter. Und ob sie nun ursprünglich von Sorrensen seinem Redenschreiber stammt oder seinem alten College-Direktor, zeigt nur dass er nicht der einzige ist, der sie wahrnahm. Es bleibt eine Herausforderung für jeden von uns.

Packen wir es an.

ein geruhsahmes Fest und einen guten Rutsch nach 2023.

 

 

 

One europe, one culture

Ein Irrweg im Privaten wie im Geschäftlichen und ein paar Gedanken am Umbruch des Jahres.

Als die Jugend der 70er den Wegfall der Schlagbäume verlangte, „Interrail Tickets“ als der „hippste“ Weg der Erkundung Europas gehandelt wurde – ohne dass man diese Wortwahl zu diesem Zeitpunkt überall als solches verstanden hätte – dachte man nicht über die Konsequenzen einer zu großen Annäherung nach. Das Ziel war die Annäherung.

Heute in Zeiten der Globalisierung, der Lieferkettenabbrüche und der Verbreitung des Englischen als lingua franca (aber auf einem Niveau, dass den Economist zu der Bemerkung veranlasst, „man möge sich vor der kontinentalen Version des Englischen hüten“) und kultureller Brücke, scheint der Widersinn zwischen der Forderung nach Diversität im Lebensraum, Flora + Fauna, und der Forderung nach Vereinheitlichung im gesellschaftlichen und ökonomischen Leben kaum der Bemerkung wert. Trotzdem bleibt gerade diese der Bemerkung und des Nachdenkens wert.

Zu glauben, dass der Hang zur Egalisierung nicht zur Verminderung der Erneuerungsfähigkeit einer Gesellschaft führen könnte und die Vermeidung von Variationen im regionalen und individuellen Lebensbereich nicht nur zur Eintönigkeit, sondern zum Absterben führt, wäre fatal. Vielleicht hatte Spengler – jenseits seiner politisch konservativen Einstellung – zumindest mit der Betrachtung des Lebenszyklus einer Gesellschaft recht: die aus dem Fellachentum kommende Gemeinschaft, die sich zur Hochgesellschaft, der Zivilisation, entwickelt, nur um wieder in ebendiese abzusinken. Zivilisatorische Höhe als Durchgangsstadium.

Nehmen wir gerade an diesem Prozess in den europäischen Staaten teil? Beobachten wir nicht nur den Zusammenprall von Kulturen, von Religionen als Vehikel der Macht? Sondern am Niedergang?  Samuel Huntington polarisiert den religiösen Aspekt der abrahamischen Religionen. Erdogan, Ebrahim Raisi , Reuven Rivlin oder die Breite der Führungskräfte, des immer noch mehrheitlich christlichen Abendlandes, ringen vermeintlich um Lösungen, finden aktuell keine , jedenfalls keine Dauerhaften. Die Themen sind unterschiedlicher Natur. Ölbohrungen vor der zyprischen (geteilten) Insel, osmanische Reminiszenzen eines Erdogan, fehlende stabile  Lösungen in Libyen , kritische Situationen in Nordafrika und Migrationsströme aus der Levante und dem fernen + nahen Osten.

Vorgeschobene religiöse Ansprüche prägen diesen mentalen und corporalen, militärischen Diskurs. Da hinter stehen aber vor allem: Egoismen der Spieler und pure Machtpolitik. Die Frage der Religion hat bereits die Ringparabel (bekannt aus Erzählungen sephardischer Juden auf der iberischen Halbinsel aus dem 10. + 11. Jhdt.) gelöst und ist uns u.a. durch Boccacios Decamerone und Lessings Nathan transponiert worden. Hinter der Religion sollte man sich nicht verstecken.

Die philosophisch, religiöse Vielfalt des asiatischen Raumes kannte diese Ausgrenzung weitaus weniger als der Okzident.

Geistiger Terrorismus, geistige Unterdrückung, beginnt mit der Intoleranz gegenüber dem Andersdenken und endet in der Unterdrückung des Andersartigen. Bücher, Sprachductus, persönliche Orientierung. Geprägt von Vorgaben. Alles schon da gewesen und aktuell wieder en vogue. Gestern noch eine weit verbreitete Meinung der Gesellschaft, heute stigmatisiert, nicht vertretbar. Die Gründe sind verschieden. Auf Seiten der Mächtigen und auf Seiten der Duldenden.

Putin braucht die Ausrichtung auf den Aggressor im Westen, um das eigene Regime stabil zu halten. Deshalb das Klappern am Dorbas. Und der erkennbare Rechtsruck in den europäischen Staaten? Folgt der nicht in erster Linie der Orientierungslosigkeit der Bevölkerung, der Aufhebung der bislang eingeübten Regeln?

Die deutsche Bevölkerung ist demographisch dreigeteilt. Das Revoltieren der Jugend, ihre Konzentration auf den Klimaschutz, nicht wirklich neu. Anders gestaltet. Ja. Aber nicht wirklich verschieden. In den 70er, der Club of Rome meldet sich zu Wort, mag die Publizität des Protestes unterschiedlich gewesen sein. Die Verbreitung artikulierten Widerstandes war definitiv mittelfristiger plaziert, nicht getwittert oder gemailt. Der Aufschrei war trotzdem da. Verlief sich. Wie so oft.

Wir wollen hoffen, dass es nicht wieder so wird. Die Zeit ist mehr als knapp und das Risiko für die gesamte Welt hoch.

Das der Protest nun auch in die mittleren Kohorten der Gesellschaft reicht, lässt hoffen, löst aber den Konflikt nicht und auch nicht andere Themen: Generationsverträge, die von vielen Seiten aufgekündigt werden/werden sollen, Beliebigkeit und hedonistische Orientierung breiter Teile der Gesellschaft, Verminderung des Bildungsniveaus, ein Ausbluten der innovativen Eliten. Schon das Problem, dass man das nicht darf: Eliten benennen, elitär sein. Nicht nur, wenn man dem Anspruch an diesem Begriff nicht genügt sondern allgemein. Sich herausheben ist nur zulässig, wenn es dem hedonistischen Ansatz folgt. Könnte man meinen.

Gleichberechtigung über alles und für alle. Aber nicht im Sinne einer Start- und Chancengleichheit, sondern im Sinne einer Gleichmacherei. Begonnen hat sie Ende der 70er, das Abitur für alle, das Studium für jedermann. Nicht nach Neigungen und Fähigkeiten. Die Bedeutung eines qualifizierten Handwerks, das einst das Aushängeschild der Bundesrepublik war, wurde demontiert. Um die breite Akademisierung zu erreichen, konzentriert man sich auf repetierbares, nicht auf strukturelles, Wissen. Vokabular statt Grammatik. Und das Ergebnis: Egalisierung. Das ist ein Votum gegen die Leistungs- , im Grunde aber auch gegen eine Verantwortungsgesellschaft. Wurzel einer „Geiz ist Geil“ Mentalität.

Und Teile der Gesellschaft bleiben auf der Strecke. Werden, wie es in vielen Publikationen so schön heißt, „abgehängt“. Englisch als Kommunikationssprache ist für gut ein Sechstel der Bevölkerung keine Option. Die fehlenden Synchronisationen in öffentlichen und privaten Fernsehsendungen, Handreichungen für technische Produkte nur noch in nicht-deutscher Version, hindern den lockeren Umgang mit der eigentlich kulturell wünschenswerten Bereicherung, die eine Fremdsprache liefert. Die – viel zu geringe – Digitalisierung der Gesellschaft fordert weiteres Zurücklassen, denn für viele ist der Zwang zu Elster, die Corona App oder die Erledigung der Bankgeschäfte über einen online-account nicht nur eine Herausforderung, sondern ein Hindernis. Das trifft dann durchaus schon ein ganzes Drittel. Das sollte die Einführung der modernen Lösungen nicht hindern, aber die Sorge um die so Beeinträchtigten erhöhen.

Die Öffnung in einen europäischen Rechtsraum unterstützt dieses Gefühl des abgehängt werden.

Nicht weil das europäische Recht, das immer mehr unmittelbar in den deutschen Rechtsraum hineinwirkt, an sich eine Beeinträchtigung darstellen, sondern wohl eher deshalb, weil sie nicht im Widerspiel der Rechtswirklichkeit gewachsen ist. Hayek’s Postulat der Knechtschaft ist nicht ein nur der wirtschaftlichen Betätigung vorbehalten. D.h. die Skepsis gegenüber den Wenigen, die in einer Planwirtschaft die Vorgaben machen, die Vielen, die danach leben müssen. Dass es in der Kommission ähnlich zugeht, kann man nicht bestreiten. Das Gleichmachen hat auch auf dieser Ebene Methode. Eines der Vehikel, mit denen die meisten konfrontiert sind: der Datenschutz. War man in den 80er noch gegen die Volkszählung, kritisierte die Rasterfahndung eines BKA-Präsidenten Herold, muss man heutzutage akzeptieren, dass die freiwillig gelieferten Daten und Informationen viel weiter gehen als die schlimmsten Befürchtungen der Volkszählungsgegner.

Damit muss eine Gesellschaft zu leben lernen. Nicht durch paternalistische Vorgaben der Wenigen, sondern durch einen gesellschaftlichen Diskurs, der den Einzelnen mitnimmt. Dieser Diskurs ist es, der ein Recht, als Abbild der gesellschaftlich gewollten und akzeptierten kodifizierten Lösung, zum angewandten Recht und nicht zum legislativen Diktat macht. Deshalb ist der anfängliche Protest wichtig und richtig, das zugestehen aber auch. Weil es in der Regel auf der veränderten, erarbeiteten Basis und der intendierten gemeinsamen Lösung beruht.

Gesellschaft wirkt durch die Überzeugung von Gruppen. Me Too oder Sprachkatastereien sind Sperrspitzen der Veränderung. Die ihre Begründung haben, bedeutsam sind, aber nicht kommentarlos hingenommen werden müssen. Das Gendern als gesellschaftlicher Zwang; sich im Produzieren einer verballhornenden Sprache und – mit Verlaub – dem teilweisen Pervertieren des gesprochenen und geschrieben Wortes zu ergehen und grammatikalische Regeln ignorierend, ist keine Lösung.

Eine Verordnung ist immer das schlechtere Mittel. In der Sprache, in der Rechtssetzung oder auch nur im politischen Diskurs. Die legislative oder auch nur auf Grund anderer Machtstrukturen vorgeschriebene Lösung – also normative Gesetzesregelungen oder auch religiöse, moralische oder politische intendierte Anforderungen – ist der schlechtere Weg. In der politischen Theorie ist der contrat social eines Rosseaus, den wir aktuell in seinem Wirken, wenn auch mit vielen Störfällen, beobachten können, die Beschreibung eines Lösungsmodelles individueller Interessenslagen versus gesamtgesellschaftlicher Interessen. In der Auseinandersetzung dieser Interessenslagen lässt sich eine stabilisierte Gesellschaft formen. Fehlende Bereitschaft führt zur Betonung der individuellen Zielvorstellungen. Im Extremfall zur ausschließlichen Beachtung der eigenen Interessenslage. Politisch könnten man das, wenn sich dieses Interessenslage nach außen bemerkbar macht, auch als Anarchie bezeichnen. Denn Anarchie ist nicht Freiheit von Regeln, sondern Freiheit von fremden Regeln, die Verwendung der eigenen Regeln und das führt dann zur gesellschaftlichen Vielfalt von Regeln, Anarchie als gesellschaftlich wahrnehmbare störende Vielfalt.

Ähnlich wie in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts problematisiert sich die Findung einer eigenen und einer gesellschaftlich vertretbaren Position auf Grund der Instabilität der vorhandenen Strukturen. Damals vornehmlich aus dem Zusammenbruch der alten Ordnung (Kaiserreich, Erstarken der Sozialdemokratie, wirtschaftliche Schwierigkeiten), heute aus den Auswirkungen einer Globalisierung, Migrations- und Kulturüberlappungen, ohne zeitlichen Rahmen, der eine Adaption und eine Assimilation ermöglichen würde. Natürlich auch durch den Fall der Mauer, den Zerfall der russischen Föderation und dem Wiedererstarken, aber auch der Beförderung der Entwicklung Chinas und dessen Einflussnahme über das Konzept Seidenstrassen. Übrigens ein Thema, dass China schon einmal im 14. Jhdt. durch Zhèng Hé ( 郑和)mit seiner Flotte von 300 Dschunken + 28.000 Mann Besatzung in Politik umzusetzen versuchte. Dort aber scheiterte und die Abkehr Chinas vom Abendland begründete.

In der Globalisierung könnte eine Lösung darin liegen, das Spannungsverhältnis in den verschiedenen Gesellschaften zu vermindern, indem man die Egalisierung der Produkte + kulturellen Übereinkünfte fördert und fordert. Das geht aber einher mit einer gewaltigen Anstrengung in den lokalen Gesellschaften. Der Überwindung von deren Beharrungsvermögens, wenn es denn ein Ziel wäre.

Und ehrlicherweise muss man dann auch den Blick auf die Strukturen werfen, die die negativen Entwicklungen, Widerstände, dieser Globalisierung einzufangen versuchen. Aktuell in China die Uigurenpolitik und der Unterdrückung Tibets, aber auch Sozialmodelle wie die Bonus- und Maluspunkte, die den angepassten Bürgern mehr Freiheiten vermitteln, alle anderen benachteiligt. Die Kurdenpolitik eines Erdogan, seine Unterdrückung der HDP oder die Beschränkung der CHP, bis hin zu Wahlmanipulationen in Lukaschenkos Reich oder das Verbot von Einrichtungen der Zivilgesellschaft in Russland, Ungarn oder der Türkei. Im Extrem muss man sich auch dem Gedanken stellen – die Sprachpolizei lässt grüßen – dass die Kontrolle, Überwachung und Sanktionierung moralisch-ethischer Regeln hierzulande und nicht nur in China Platz greift. Dann wären auch wir nahe an der Situation des Buches, dass 1948 entstand und heute, 37 Jahre nach seinem Titel immer noch eine unbeschreibliche reale Brisanz hat.

Kultur ist nicht nur ein Thema des Privaten, sondern auch des wirtschaftlichen Diskurses. Große monopolistische oder oligopolistische Unternehmen leben von einer Vereinheitlichung. Gleichmachend, gleichgestaltend. Kämen Sie allein zum Zuge führte das zur Stasis, zum relativen Stillstand. Wirtschaft geht nicht ohne große Unternehmen, aber auch nicht nur mit ihnen. Der Mittelstand ist das oft beschworene und auch belegte innovative Momentum der Wirtschaft. Kreative, „Trüffelschweine“, Erfinder und Finder von Lösungen. Großunternehmen wie Microsoft, Apple, aber auch SAP bedienen sich dieses kreativen Potentials, entlassen es auch gelegentlich wieder durch einen SPIN OFFs. Nur um späterhin wieder darauf zurückzugreifen.

Was das besagt: Diversifikation, regionale Differenzierung ist notwendig und sinnvoll. Ihr den Raum den sie braucht zu erlauben, aktiv zu geben, muss aber auch das Zeitmoment beachten. Nicht die konzeptionelle Vorgabe einer kleinen Gruppe für alle, sondern einer Vielzahl von Konzepten für Viele, ist der oberste Lehrsatz. Für den Bereich der Gesellschaft, der kulturellen Durchwachsung, aber auch der wirtschaftlichen Entwicklung.

In allen Bereichen muss man die Protagonisten, die Mit- und die Nicht-Mitspieler zusammenbringen. Nicht stehen lassen. Ob man den kulturellen Wandel im Unternehmen oder in der Gesellschaft begleitet, macht keinen wirklichen Unterschied. Dazu muss man aber – und das obliegt der Regelungskompetenz auch von Wenigen – kanalisieren, Raum + Zeit schaffen, den gesellschaftlichen und politischen Diskurs fördern und fordern. Übrigens ein Gedanke der Marktwirtschaft im Sinne der Freiburger Schule. Aber nicht gleichmachen, sondern den Lebens- und Gestaltungsraum des einzelnen respektieren und einbinden. Damit das Prinzip des contrat social vs. der Anarchie die Oberhand behält.

Wir wünschen für das kommende Jahr 2022 ein gedeihliches Gelingen der eigenen Projekte, Erfolg bei und in Ihren Unternehmungen und Gesundheit für jeden Leser.

UWE GESPER GHP Gesper, Strieder + Partner

RECHTSANWÄLTE  ∙  WIRTSCHAFTSPRÜFER ∙  STEUERBERATER

 

DENKSTE – ODER AUCH NICHT

DER BEIRAT ALS HORTUS COGITANDI, DENKEN, FÖRDERN + FORDERN

Die Frage, was ein Beirat (oder Aufsichtsrat) in der deutschen Wirtschaftslandschaft eigentlich macht ist wegen der Vielzahl der Erscheinungsformen nur kursorisch zu beantworten. Oder man macht es zu einem sehr umfassenden Thema. Letzteres wollen wir hier erst gar nicht versuchen. Wir wollen aber einen Aspekt konstruktiver und produktiver Beiratsarbeit herausnehmen.

Sowohl in einem (nur) beratenden als auch in einem (auch) kontrollierenden Beirat ist ein wichtiger Aspekt der Beiratsarbeit, dass die Personen, die ihm angehören sich mit dem Unternehmen, seinem Markt und seinen Fragestellungen identifizieren, anstehenden Probleme unternehmerisch betrachten und hinterfragen, Anregungen geben, aber auch Grenzen aufzeigen. Selbstverständlich verlangt das nach einer ehrlichen Kommunikation zwischen Unternehmen und deren Mitarbeiter + (vor allem) Führungskräften, ein Mithören und Miterfahren durch geeignete, das operative Geschäft aber auch nicht störenden, Austausch von Informationen. Im weitesten Sinn eine transparente Kommunikation. Und es verlangt von den Beteiligten die Fähigkeit damit umzugehen und mit den angemessenen methodischen Verfahren auch eine Kontinuität der Prozesse und Entwicklungen sicherzustellen.

Die Beiratsarbeit könnte man so kategorisieren:

VorDenken, NachDenken und MitDenken

VorDenken

Der Beirat ist in erster Linie eine strategische Option. Was man im Tagesgeschäft immer gerne hintenanstellt sollte im Beirat eine Kernaufgabe sein. Die strategischen Aspekte von Entwicklungen zu identifizieren, eine Verifikation und Falsifikation – eine Überprüfung oder eine Ablehnung – auf den Weg zu setzen. Nicht zwingend muss das eine originäre Betätigung des Beirats sein, also aus eigener Kompetenz erwachsen. Es reicht aus, das Problem zu identifizieren und den Prozess der Verifikation und des Ausschlusses (also der Nicht-Relevanz bezogen auf das Unternehmen) anzustoßen und zu begleiten. In diesem Sinne ist VorDenken nicht als ein beispielhaftes Bedenken zu verstehen, sondern eher im Sinne einer Vorausschau. Umstände aufzugreifen, die aus der Erfahrung der Vergangenheit zu Problemsituationen führen, oder Entwicklungen die sich abzeichnen zum Gegenstand prognostischer Betrachtungen zu machen. Eine typische Situation bei Start-ups (aber auch bei gestandenen Unternehmen, die sich in neue Märkte/Marktsegmente begeben) ist das Übersehen der Expansionsfallen. Schnelle positive Entwicklungen des Nachfragemarktes werden nicht geplant, so das Lieferprobleme auftauchen oder die personellen und finanziellen Mittelanforderungen (insbesondere im Bereich der Vorfinanzierung der Wareneinkäufe) nicht ausreichend eskomptiert sind.  Das hier ein  „Weniger ist Mehr“ Ansatz der sinnvollere Weg sein kann drängt sich auf. Nicht jeder muss den Weg von Zalando[1], Uber oder AirBnB (die letzten beiden immer noch mit erheblichen Verlusten) gehen. Ein Beirat sollte das bei der Diskussion von Planungen und Strategien berücksichtigen und mit der Führungsebene diskutieren.

Ähnlich ist es bei Entwicklungen die am Markt eintreten. Das können vordergründig erst einmal wenig wahrscheinliche oder eher nicht anwendbare Aspekte sein, die bei einer näheren Betrachtung aber durchaus zu starken Trends (sowohl auf der Absatz- als auch auf der Produktionsseite) oder wichtigen Absatzmittel /-mittlern werden können. Den Zug zu verpassen ist immer der schlechtere Weg, den Zug mit in Bewegung zu bringen, in aller Regel der richtige Ansatz. Wer sich aktuell nur kursorisch mit Themen wie der Blockchain (Ethereum mit Ether, evtl. auch Bitcoin oder anderen Erscheinungsformen), AI (Artificial intelligence als selbstlernender Algorithmus), Arbeitsplatzstrukturierungen und den damit zusammenhängenden technischen + kommunikativen Methoden auseinandersetzt wird auf Sicht verlieren.

Ob die Blockchain[2] in den Lieferketten eine signifikante Größe wird oder auch im Rahmen von Finanzierungen die klassischen Bankfunktionen ersetzen kann, vielleicht auch den gewerblichen Immobilienerwerb[3] methodisch und finanziell vom heutigen Markt abkoppelt, gilt es abzuwarten. Eine Beschäftigung damit ist aber ein „Muss“, weil alleine die Beschäftigung mit diesen Methoden eine Erhöhung der eigenen Expertise verursacht. Um aus der Vielzahl der Möglichkeiten die auf das Unternehmen passende Auswahl zu verbessern ist die Einbindung eines Beirates in jedem Fall sinnvoll, bei einer dynamischen Beiratsstruktur – z.B. durch Kooptierungsmodelle[4] – auch sehr effizient und zeitraum- und problemangepasst zu gestalten.

Themen der letzten Dekade gibt es genug. Die Globalisierung, Clash of Civilisation (also Migrationsfragen, Kulturprobleme der weltweiten Mobilität) und die technischen Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Organisation und Strukturierung von Prozessen, haben viele „kleine“ schwarze Schwäne aufgetan. Wie man mit ihnen umgeht entscheidet – auch – über Erfolg oder Mißerfolg.

Ein nach wie vor aktuelles Thema: die reduzierten Angebote an fachqualifizierten Kräften. Das ist nicht nur ein Mengenthema (u.a. als Auswirkung des Pillenknicks), sondern auch die Akademisierung von Berufen (mit längerer Ausbildungszeit[5]), daran anknüpfende  (Un-)Sitte den eigentlichen Berufseintritt in die späten 20er und beginnenden 30er Lebensjahre zu legen. Im Gegenteil: gravierender scheint hier auch die Änderung der Bedeutung von beruflicher Tätigkeit. Nicht mehr Erfüllung im Privaten + Beruflichen, sondern in erster Linie im Privaten[6]. Einhergehend mit einer geringeren Frustrationsfähigkeit, auch aus einer Erziehungsorientierung der 68er Generation gespeist. Die Vorgeneration hatte das Ziel, „das es die Kinder besser haben“, und trotz vieler anderweitigen Meinungsbildungen in der 68er Generation kann man diesen Hang für die eigenen Kinder und Enkel ebenfalls feststellen. In der Konsequenz behütet, kollidiert diese Generation dann oft mit unrealistischen Vorstellungen über angemessene  Bezahlung + Freizeitansprüche, mit der beruflichen Realität und einem (jedenfalls noch) weit verbreitetem Leistungsdruck bis hin zum fehelenden Durchhalten bei Schwierigkeiten.

Ein Umstand, denn das Unternehmen nicht ändern, aber zur Kenntnis nehmen, kann und muss. Und damit auch ein Aspekt der  Einfluss für die Beiratsarbeit haben sollte. Ob Generation X,Y,Z oder Millenniums; der Schwund an geeigneten Mitarbeiter muss kompensiert werden. Spezielle Trainees, Mehraufwand im Bereich der Motivation oder Incentives – mag man das auch für unangemessen halten – dienen der Sicherung einer ausreichenden Teilhabe am Arbeitsmarkt. Eine andere Möglichkeit bleibt die Verschlankung (und damit Entpersonalisierung) von Prozessen. Verringerung von Leerlaufzeit, unnötigen Fahraufwendungen für Besprechungen und Treffen. Homeoffice, schlanke Prozesse, umfassende Verfügbarkeit von Unterlagen, Daten und Entscheidungs-Tools. Was andererseits entsprechende Konsequenzen jenseits der eigentlichen Organisationslehre und -strukturierung hat.[7]

Verfügbarkeiten von Material in einer globalisierten Lieferketten, gerade in Zeiten des just-in-time, 7/24 Stunden Verfügbarkeiten und kurzfristigen Lieferungen, sind Engpässe wie sie beim Steckenbleiben der Ever-Given im Suez-Kanal für viele Versorgungsstränge von erheblichem Gewicht und für eine entsprechende Liefersicherheit , aber auch die Kalkulation anderweitiger Beschaffung/-wege oder Schadensersatzes, von entscheidende Bedeutung sind.

NachDenken

Aufgabe des Beirates wird es aber auch sein zwischen dem gestern und morgen den Bogen zu schlagen. Also über die Ereignisse der Vergangenheit, wie die eben angesprochenen Lieferprobleme im globalen Verbund, nach zu denken und den begangen Weg mit den Entwicklungen abzugleichen. Einen prüfenden Blick auf bisher Geschehenes zu werfen, positive und negative Entwicklung zu erkennen und daraus Schlüsse für die Zukunft zu entwickeln. Durch das darüber NachDenken eine Chance der Verbesserung der Prozesse und/oder der Bestätigung der Methoden und Vorgehensweisen zu erhalten.

Nabelschau eben.

Auch die geht im Tagesgeschäft häufig genug unter. Wird auf die Tage der strategischen Planung verschoben. Und die finden dann – leider, wegen des Tagesgeschäftes – nicht statt. Navigation in einer globalisierten Welt, in der jeden Moment neue Varianten und Vorgehensweisen auftauchen ist zwingend.

Deshalb muss der Beirat dann auch die Funktion des Lotsen wahrnehmen. Mahnen, fordern und soweit ihm das seine eigene Geschäftsordnung und die von den Gesellschaftern eingeräumten Möglichkeiten erlaubt auch durchsetzt.

MitDenken

Die Führungsverantwortung im Unternehmen liegt bei der Führung. Die kann und soll der Beirat, erst recht kein Aufsichtsrat[8], nicht übernehmen. Er soll aber Hinweise geben (und geben können), was die operative Umsetzung einmal getroffener strategischer Entscheidungen betrifft. Oder eben notwendige Strukturänderungen im laufenden operativen Prozess in den Fokus nehmen.

Dabei kann es sich um Entwicklungen im Kommunikationsbereich handeln: zur Zeit sehr beliebt die „wilde“ Einführung von Software-Modulen mit starker Kommunikationsausrichtung. Vorne dabei: MS Teams. Hier sind von Yammer (Kommunikation), Trello (Kanban) und einfachem Chat, Videokonferenz-techniken und Dateiablagen in MS Teams und OneDrive alle möglichen Entwicklungen erkennbar. Auch wenn ein Freiraum in der Entwicklung (neben der Frage der Kosten solcher Systeme) kein Negativum sein muss, die Entwicklung von Prozessabläufen – Teams organisieren sich in bester Scrum  (s.a. unser Beitrag zur ZeitNahme in diesem Blog) Manier selber, aber eben ohne eine Basislinie für das Unternehmen – kann dabei schnell aus dem Blick geraten. Spätere Anpassungen zu menschlichen (Beharren auf der gefundenen Lösung) und (personal-)rechtlichen korrekten Lösungen mit erheblichen Kosten und organisatorischen Konsequenzen führen.

Beobachtet der Beirat solche Entwicklungen steht es im gut an, auf die Risiken hinzuweisen und Konzepte und Erklärungen, vielleicht auch nur Erläuterungen einzufordern.

Gleiches gilt in den Fällen, in denen zwar Ziele definiert, Überwachungs-prozesse vereinbart und Revisionskontrollen eingefordert sind, aber in der Praxis nicht oder nicht ausreichend umgesetzt werden. Die Aufgabe des Beirats ist – jenseits von der „heiligen Kuh“ der Compliance Vorgaben – in solchen Fällen die Einhaltung der selbstgesetzten Vorgaben einzufordern und deren Verfolgung in den wichtigen strategischen und operativen Fragen auch selber zu kontrollieren.

Bei auslaufenden Finanzierungsvereinbarung – so insbesondere Konsortialkrediten, die viele Verhandlungspartner betreffen und komplexe Vertragsstrukturen verlangen – frühzeitig auf neue Verhandlungen hinzuwirken oder die Diskussion über Alternativen anzuregen. Auch wenn die ABS (asset back securities) Finanzierung etwas aus der Mode gekommen ist, andere Hybrid-Strukturen (Borrowing base Konzepte u.ä.) schon fast ein alter Hut sind, so kann die Prüfung von Blockchain basierter Kredite, im Einzelfall auch Crowd Finanzierungen (z.B. beim Erwerb langfristig zu nutzender Immobilien) eine Herausforderung und eine Lösung sein. Hier durch kooptierten oder vorhandener Expertise im Beirat Gesprächspartner zu sein, ist eine wichtige Aufgabe.

DenkMittel

Übersehen wir häufig, dass diese Mitwirkung des Beirats nur dann eingefordert werden kann, wenn der Beirat selber diese aktive Teilhabe an Entscheidungsprozessen anstrebt, aber er auch die notwendigen Informationen und Informationsmittel zur Verfügung hat.

Noch aus nicht digitalisierten Zeit bekannt, ist die Teilhabe an den einschlägigen Presseveröffentlichung, Zeitschriften und Informationsbörsen im Marktbereich des jeweiligen Unternehmens. Vulgo: auch der Beirat hat Zugriff auf die einschlägigen Publikationen durch Überlassen eigener Abonnements oder den Zugriff auf diese in digitaler Art und Weise. Selbstverständlich muss ein auf die Bedürfnisse des Beirats ausgerichtetes Reporting/Berichtswesen vorhanden sein. Das nicht nur als Bring-Schuld des Unternehmens verstanden werden darf, sondern ebenso als Hol-Schuld des Beirats. Kommen Mitglieder des Beirats zu dem Schluss anderweitige, darüber hinausgehende Informationen zu benötigen, so hat dies selbstverständlich der Beirat der Geschäftsleitung mitzuteilen und gegebenenfalls ist dann durch beide eine ausreichende Informationsgrundlage zu schaffen.

Von Bedeutung ist der originäre, nicht geleitete Zugriff des Beirats auf Unterlagen und Informationen. Dabei kann man sich, wenn auch nach Absprache mit der Führungsebene, auch des direkten Gespräches bedienen, wichtiger ist aber eine Teilhabe an Kommunikationsstrukturen des Unternehmens, die es erlauben den Beirat als Teil des Unternehmens zu begreifen.[9]

Welche Strukturen hier notwendig und sinnvoll sind, ist oftmals nicht auf Dauer festzulegen. Gerade bei Unternehmen in einem dynamischen Markt oder denen selber eine dynamische Struktur eigen ist (allem voran natürlich die landläufig als start-ups bezeichneten, aber durchaus nicht darauf beschränkt) eine Festlegung immer auch temporär zu betrachten. Was heute passt, kann morgen nicht mehr das Richtige sein und „alte Konzepte“ können sich als die „modernde“ Lösung entpuppen.

So sind Beiräte auch in Netzwerkanalysen einzubinden und selbstverständlich sollten sie Teil eines – funktionierenden und aktiv genutzten –  Intranets sein.

Eine Dokumentation und Archivierung der Präsentationen, Berichte und notwendigen Basismaterials in einem für alle Beiräte zugänglichen Bereich der heutigen DV Struktur sollte ebenso selbstverständlich sein .[10]

 


Fussnoten

[1] Die angelsächsische Taktik “Größe schlägt den Markt“ scheint hier aufzugehen, Zalando schreibt seit einiger Zeit Gewinne. Uber und AirBnB, die ein weitaus merkantilistischeres Modell favorisieren (Private zu gewerblicher Vermietung veranlassen und die Steuer- und Sozialversicherungslast auszugrenzen; bzw. angestellte Fahrer zu Selbstausbeuter zu dequalifizieren und auch insoweit „Kosten im Unternehmen“ zu sparen und auf die Fahrer zu verlagern, die das oftmals erst nach Monaten – wenn die Steuerbehörden auf den Plan treten – zur  Kenntnis nehmen.

[2] Eine interessante Erscheinungsform der Blockchain ist die Möglichkeit Vertragsregelungen entlang einer Lieferkette (allerdings in der Regel in geschlossenen Benutzerkreisen) zu organisieren und damit die notwendigen Unterlagen (Lieferscheine, Rechnungstellungen, Auftragsmeldungen etc. bis hin zur Zahlungsabwicklung – so z.B. bei ethereum über deren eigene Verrechnungseinheit) auszutauschen. Dazu können auch reverse Steuerung der Produktionskapazitäten durch Meldungen der Vertriebsstrukturen an den Produzenten gehören (ohne hier die Frage der Wissentransparenz in beide Richtungen und sich daraus ergebende Einkaufs- /Verkaufsnachteile oder evtl. rechtliche + steuerliche Implikationen zu vergessen).

[3] Das betrifft vor allem auch Finanzierungen von großen gewerblichen Immobilien oder technische Anlage, die im Rahmen einer Crowd-Finanzierung ohne Einbindung von Banken als Finanzierungsmittler stattfinden können.

[4] Der Beirat kann nach diesem Modell zeitweise fachliche Expertise zuweisen und damit in die aktuelle Diskussion einbringen.

[5] Eine späte Folge des Abiturs für jedermann der 70er Jahre

[6] Was jedem unbenommen sein soll

[7] Die europarechtlich vorgeschriebene Arbeitszeiterfassung – gerade aktuell mit dem kruden Ergebnis, dass Soldaten eine 40 Stunden-Woche zugestanden werden musss – ist da nur ein Hindernis, das in BR-betroffenen Betrieben zu vielen Diskussion führen dürfte, aber auch Themen des Datenschutz im Bereich der Steuerung solcher Prozesse durch Netzwerkanalysen oder den – häufig als Blackbox fungierenden – AI Centern, also Algorithmen, die z.B. die Verfügbarkeiten von Mitarbeitern unter Beachtung der Terminkalender, Präsenzmeldungen und Diskussionsverläufen in der Telefonberatung ermitteln. Was immer auch das Negativum einer Kontrolle (nicht nur des Controlling) von Leistungsdaten der Mitarbeiter umfasst und damit die Zuständigkeit eines Betriebsrates oder zumindest des Datenschutzbeauftragten verlangt.

[8] Der hier rechtlich auch weitaus eingebundener und beschränkt ist.

[9] Insbesondere bei Merger Situationen kann es z.B. sinnvoll sein, eine direkte Ansprache (auch anonymisiert) durch Mitarbeiter der Unternehmen herzustellen, um Meinungsbilder und Strukturen der oftmals von der Führungs- und Unternehmenskultur differenten Betriebsstrukturen aufzugreifen.

[10] Ob diese im Unternehmen oder in einer separaten Cloud, jenseits der DSGV Fragestellungen, vorgehalten wird, ist eine Geschmacksfrage, aber in jedem Fall sollte das Material bei einem Wechsel der Beiräte, vielleicht auch des gesamten Beirats nicht  „verloren“ sein.

Das Lieferkettengesetz – eine Drohung am Horizont?

Eine der vielen Ausschüsse (diesmal der interministerielle) der Bundesregierung tagte im Juli 2020, um die Befragungsrunde des NAP (Nationaler Aktionsplan Wirtschaft + Menschenrechte) zu diskutieren. Das nur ein Bruchteil der teilnehmenden Unternehmen danach die Anforderungen an die unternehmerische Sorgfalt in Bezug auf die Menschenrechte erfüllte beunruhigte die Ministeriellen. Und nun soll es kommen: das Lieferkettengesetz.

In der freiwilligen Vereinbarung galten bisher fünf Kernelement,

  • Eine öffentliche Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte
  • Verfahren zur Ermittlung tatsächlicher und potentiell nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte
  • Maßnahmen zur Abwendung potentiell negativer Auswirkungen und Überprüfung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen
  • Berichterstattung
  • Einrichtung eines Beschwerdemechanismus für Betroffene

Altmeier, die Verbände und sicher einige Unternehmen sind dagegen, dass diese (bürokratische) Vorgaben verpflichtender Teil der Unternehmensplanung werden muss, Heil und Müller fordern die Erfüllung des Koalitionsvertrages. Hayek würde – zu Recht – damit die Fortschreibung der Planwirtschaft ins Ethische  annehmen und Müller-Armacks, Eucken oder Röpke – als Vertreter einer ethischen, sozialen Marktwirtschaft – würden darauf verweisen, das Wettbewerb und Preisfunktionen die richtigen Steuerungsmittel sind.

Das nichtoffizielle Eckpunktepapier des Arbeitsministeriums sieht dabei vor, dass alle Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter und sofern sie in Deutschland ansässig sind die 5 Kernelemente in ihre Unternehmensprozesse integrieren, im Internet darüber berichten und die Aktivitäten darlegen muss. Dass die Unternehmen dazu von einer Behörde kontrolliert werden müssen, versteht sich fast von selbst. Auch wenn die Sorgfaltspflichten nicht verabsolutiert werden sollen, sondern ein Bemühen ausreichen würde, um die Pflichterfüllung zu konstatieren. Aber es ist eine Bußgeldpflicht angedacht und der mit den Maßnahmen verbundene Kostenaufwand ist nicht zu unterschätzen.

Da es sich hier nicht um die Frage der eigenen Produktionsstätte handelt, sondern die Einwirkung auf den Sublieferanten verlangt wird, lassen sich leicht Szenarien denken, in denen Sublieferanten mit relevanten Lieferanteilen (in der Menge oder weil es Schlüsselzulieferprodukte sind) existieren, bei denen der Abbruch der Beziehung Auswirkungen auf das eigenen Unternehmen hat. Nicht nur auf der Kostenseite, sondern auch bei der Verfügbarkeitsfrage, und damit verbundener Lieferstörungen. Solche Konsequenzen haben wir gerade eben erst im Rahmen der aktuellen Corona-Krise erlebt (man denke an die fehlenden Masken wegen Lieferverweigerung in Tschechien und daraus resultierende Engpässe im klinischen Bereich). Was hier anklingt ist die Fragen des Risikomanagement, die von solcher gesetzlichen Regelung ausgehen kann.

Auch wenn der Schutz u.a. „nur“ bezüglich Kinder- oder Zwangsarbeit, Diskriminierung (ein weites Feld) und Arbeitsschutz oder Verstößen gegen die Versammlungsfreiheit besteht, ist der Interpretationsspielraum in den meisten Begrifflichkeiten extrem weit. Was macht man zudem, wenn man von Zulieferungen aus Xinjiang Kenntnis hat, schlimmer noch in Xinjiang selber einkauft oder produzieren lässt? Das ist dann möglicherweise auch noch ein Imageschaden. Neben den bürokratischen Auflagen und angedrohten Ordnungsgeldern.

In jedem Fall ist es – wenn man davon ausgeht, dass dem Koalitionsvertrag entsprochen wird – zusätzlicher Aufwand, den man nach Verabschiedung des Gesetzes entgegensieht. Das er gar nicht kommt ist nicht zu erwarten. Und grundsätzlich werden sich die meisten Unternehmen auch nicht gegen eine angemessene Ethik ihres Unternehmens verwehren, sie in der Regel bereits heute praktizieren. Die geplante dreijährige Übergangszeit lässt auch später genug Zeit zur Umsetzung. Andererseits sollte man auch insoweit über antizipierendes Krisenmanagement nachdenken. Oder wie die Lateiner sagten „si vis pacem para bellum“.

Die meisten Unternehmen haben sie: Unternehmensgrundsätze. Das zu erweitern dürfte den Wenigsten schwer fallen und ließe sich auch in den jeweiligen internen Audits einbinden. Und das würde auch die – wahrscheinlich – effizienteste Möglichkeit eröffnen in diesem Strukturierungsprozess Eckpunkte zu diskutieren, die den zu erwartenden Vorgaben des Lieferketten-gesetzes Grenzen setzen. Nicht alles was man seitens der Politik wünscht ist mit einer berechtigten ethischen Forderung zu verbinden. Deutschland oder Europa ist auch nicht der Retter der ganzen Welt. Die Arbeitsschutzprobleme und Diskriminierung in Drittländern sind vornehmlich dort zu lösen: im Drittland. Das muss man unterstützen, aber man muss akzeptieren, dass dort andere kulturellen Tradition, abweichende gesetzliche Grundlagen bestehen können, die unüberschaubare Abgrenzungsprobleme nach sich ziehen werden. Neben der Problematik wirklich Einfluss auf den Lieferanten nehmen zu können. Der Okzident sollte sich vor der Arroganz des „besser Wissens“ hüten.

Nicht wenige sollten für alle entscheiden, sondern der Wettkampf der Ideen aller sollte über den Weg entscheiden. Hier in Europa ebenso wie am Ort der Sublieferanten, China, Bangladesch oder der Türkei.

Es ist zu überlegen, dass man sich im Vorfeld gegen die Auswüchse des Lieferkettengesetzes argumentativ und faktisch zur Wehr zu setzen und wenn man kann sollte man das in den eigenen Produktions- und Organisations-prozess zu eskomptieren.  Antizipatives Krisenmanagement. Das erspart Kosten und hektisches Handeln, wenn es ernst wird.

 

 

 

 

ZeitNahme: über agile Organisationen, Eisschollen und Sprints

StOA Modell agile Strukturen in der Unternehmensführung

 

Unternehmen haben die Aufgaben Kundenfragen zu lösen und mit  Service, der Lieferung von Produkten und anderen Leistungen Deckungsbeiträge zu erzielen. In einem gewachsenen Umfeld eines eingeführten Unternehmens  haben sich hier in der Regel Strukturen gebildet, Verbindungen sind gewachsen und funktionieren zu beiderseitigem Nutzen – oder die Selektion hat stattgefunden und das nicht kundenorientierte Unternehmen ist wieder vom Markt verschwunden, solange es nicht durch die EZB Politik als „Zombi“ am Leben erhalten wird.

Entwickelt sich ein Unternehmen – wächst z.B. am Markt – oder verändert sich der Markt  durch disruptive Ereignisse wie start-up Lösungen oder tauchen Besonderheiten in der Entwicklung des Marktes  auf, häufig auch „schwarzer Schwan“ genannt – so greifen die Strukturen nicht oder nicht mehr richtig. Hoch skalierte Unternehmen, bei denen in erster Linie  der Mengenabsatz ein relevanter Faktor ist folgen im konkreten Detail anderen Strukturführungen als innovative oder zuallererst serviceaffine Firmen.

Organisationsstrukturen müssen immer der Ausrichtung und den Anforderungen des Unternehmens genügen. Die richtige Struktur zu finden ist Aufgabe des Managements. Genauso wie die Prüfung, ob Anpassungen nötig sind.

Managementlehren sind bekanntermaßen keine Erfindung der Neuzeit auch wenn sie uns aus grauen Vorzeiten eher selten überliefert sind und wenn dann zu meist dem kriegerischen Umfeld entspringen (Sun Tse – Die Kunst des Krieges, Clausewitz – Vom Kriege sind Beispiel dafür) oder dem politischen Karrieristen (Machiavelli –  Der Fürst). Aber zumindest die Ansätze von Taylor – The principles of scientific management, Drucker – Management ua., dem 20. Jahrhundert entspringend, sind den meisten bekannt. Fließbandproduktion (Taylor) findet in Abläufen der Automobilindustrie immer noch ihren Wiederhall und die „objectives“, das Führen mit Zielen (Drucker dürfte hier wohl federführend gewesen sein), ist auch nicht aus der Mode gekommen. Selbst die Findungen von Takeushi+Nonaka hinsichtlich der „knowledge Generating company“, Senges „Lernende Organisation“ oder den Heuristikansätzen von Gigerenzer oder Dörner bzw.  die fernöstlichen Methoden des Kanban, Kaizen bis zu den Spielarten des Scrum sind allgegenwärtig. Erschlagen? Man(n) oder Frau sollte sich nicht irritieren lassen.

Man muss nämlich all diese Ansätze – auch im Sinne Senge’s lernender Organisation – als das begreifen was sie nur sein können: Ideen zur Entwicklung eigener Lösungsansätze. Jenseits einer verfestigten Dogmatik. Und „es einfach machen“ ist genauso ein Wortspiel (i.S. des Simplifizierens oder der Aufforderung einfach los zu legen) wie die Aussage nur das Einfache ist die gute Lösung, oft falsch ist. Manchmal muss man (jetzt lassen wir das gendern weg) durch die komplizierten Aspekte steigen und findet doch nur eine komplexe, aber keine einfache Lösung.

Die moderne Entwicklung hat durch die Globalisierung einen Aspekt kapitalistischer Systeme in den Vordergrund gerückt. Die Schnelligkeit von Handlungs- und Produktströmen und die Schnelllebigkeit von Moden und Lösungen. In neuerer Zeit auch der Fluch der Rückwirkung.  Im Gegensatz zur Planwirtschaft, die zentralistisch – von oben nach unten, wie auch die zentralisierten, meist hierarchischen, Führungsstrukturen in Gross-Unternehmen – agieren, verlangt der kapitalistische Ansatz eine zentrale Führung häufig nicht über die ganze Leitungsspanne. Im Gegenteil, bei den nicht skalierten Unternehmen ist das sogar häufig kontraproduktiv.  Ursache ist die Erkenntnis, dass der Markt eben vielteilig, vielschichtig und nachfragegetrieben ist. Darwin`sche Anpassung in schnelllebigen Zeiten. Der homo oeconomicus (der nicht immer ein „Rationaler“ ist, was wir seit Simons (Invariants) auch wissenschaftlich bestätigt haben) lässt sich in seiner Nachfrage zwar manipulieren, aber eben  nur begrenzt dirigieren. Und die abrupten Sprünge von Entwicklungen, zumeist dem Findungsreichtum und der Kreativität – gelegentlich auch dem Zufall – geschuldet, sind nur bedingt prognostizierbar.

Management bedeutet damit, auf die nicht determinierten Varianten der Wirklichkeit, eigene spontane Lösungen zu finden. Nicht die Lösungen von wenigen Denkern im Think tank. Sonst heißt es irgendwann „Denkste“ nicht als Frage ob man es tut sondern als Bemerkung des Scheiterns.

Kanban, Scrum und agile Organisationen haben in letzter Zeit wieder eine gewisse Hoch-Zeit. Und sie können in Zeiten dauernder Veränderungen tatsächlich etwas leisten. Ob SARS oder Corona Virus, Nematoden im Fisch oder BSE Skandale, technische Entwicklungen wegen des Klimawandels oder nur einfach der Dieselskandal, ihnen gemeinsam ist die Einwirkung auf wirtschaftliche Entwicklungen. Milliardeneinbußen in der Touristik oder dem Warenabsatz hinterlassen schnell ihre Spuren im Globalen. Aber auch regionale Faktoren verlangen dauerndes Beobachten, Um- und Neudenken und Reagieren besser noch Agieren.

Mit welcher Managementmethode man dabei am besten ausgestattet ist? Es kommt darauf an!

Und das ist dann aber auch der Lösungsansatz.

Richtig scheint eine Herangehensweise, die Organisationseinheiten definiert, die einerseits Probleme unmittelbar wahrnehmen, identifizieren können und in der gebotenen Schnelligkeit (Analysieren, Identifizieren + Reagieren) auf Grund vorbereiteter Konzepte, Erfahrungswerten – Heuristiken, um es etwas wissenschaftlicher auszudrücken – oder neuen Erkenntnissen agieren.

Das Stichwort heißt Selbstorganisation, schließt aber Anleitung durch andere Organisationseinheiten (z.B. zentrale Führung, Risikomanagement-Bereich oder Fachabteilungen) nicht aus, um auf die regionalen Herausforderungen Antworten zu finden. Stellt man die Frage nach Strukturen, die (auch) eine Selbstorganisation erlauben, landet man in den meisten Fällen in Teilmarkt-Strukturen und Teams, die auf der Grundlage einer gemeinsamen Unternehmenskultur (risikoavers, -affin, aggressiv, bescheiden o.ä.) problemorientierte Lösungen finden und diese unmittelbar und zügig  umsetzen können sollten.

Methoden wie Scrum können dafür durchaus hilfreich sein. Das Hauptmomentum einer solchen Organisationsform ist dabei die treffende problemorientierte Analyse, eine schnelle Erarbeitung von Lösungsansätze und eine unmittelbare Umsetzung.

Üblicherweise werden  Probleme auf wenige, aber relevante, Aspekte hin betrachtet, weil man davon ausgehen kann, dass die meisten Fragen mit nur wenigen Stellschrauben verändert und gesteuert werden können. Diese Pareto Optimierung (in Kürze: 20 % Input/ 80% Output, oder in die Alltagssprache übertragen: mit 20 % der Stellschrauben löst man 80 % der Probleme, ob man jenseits wissenschaftlicher oder technischer Perfektion mehr benötigt muss man prüfen, aber ein Anwendungsfall der SIGMA Methoden dürfte in vielen Alltagssituationen eher selten notwendig sein) führt dazu, dass man ressourcenschonend agiert und mit wenigen Aspekten schnell und viel verändert.

Und das führt zu einem anderen Störfaktor in der Unternehmenssteuerung. Strategiepläne.

Gemeinhin glaubt man Strategien „planen“ zu müssen. Einen umfassenden Plan zu erarbeiten und konsequent daran festzuhalten. Das scheint der richtige Weg zu einem erfolgreichen Unternehmen zu sein. Aber wenn man es genauer betrachtet muss man feststellen, dass dies nicht zwingend so ist. Auch hier gibt es eine Abhängigkeit zwischen vorhandener Unternehmensstruktur, dem Markt, der Kultur im Unternehmen und vielleicht auch den Produkten des Unternehmens.

Unbestritten sind Strategien ebenso notwendig wie taktisches Vorgehen, aber umso dynamischer der Markt, umso flexibler muss das Unternehmen agieren und umso weniger hilft ein Gesamtplan per se.

Und während man immer weiter auf den oder die strategischen Punkte hinarbeitet, die taktischen Aspekte im Tagesgeschäft umsetzt, verliert man vielleicht aus dem Blick, dass der Leuchtturm der Strategie nur noch das Produkt von vorgestern beschreibt und die abgeleiteten taktischen Momente den Kunden gar nicht mehr erreichen.

Siezen sie noch oder Dutzen sie schon, Verkaufen sie im Cross sale, online und/oder analog, anglisieren Sie Ihren Auftritt übernational und national. Spricht Ihr Kunde dieselbe Sprache wie das eigene Unternehmen?

Das ist nicht falsch zu verstehen: eine strategische (auch eine taktische) Ausrichtung insbesondere von mittleren und großen KMU´s ist sinnvoll und notwendig. Insbesondere große KMU`s oder Großunternehmen dürften damit auch besonders effektiv umgehen können. Bei Ihnen kommt es auf Konformität in den Abläufen und der Produktgestaltung und des -vertriebes besonders an. Aber das ist eben nicht zwingend. Der Plan sollte nicht als detaillierte Werkplanung missverstanden werden, sondern als Anleitung zur Orientierung, vielleicht auch nur als Skizze.

Kundenorientierung ist auch in den üblichen Betrachtungszeiträumen einem Wandel unterworfen, ob auf Jahres- oder Dreijahresebene. Längere Zeiträume können sowieso nicht ernsthaft prognostiziert werden. Wer es nicht glaubt, sollte sich einmal die volkswirtschaftlich relevanter Daten der letzten Jahre zu Rate ziehen und deren prognostische Zielerreichung. Die Abweichungen sind beeindruckend (und das auf 12/24 Monatszeiträume).

Sinnvoller scheint es da strategische Aspekte aus den Möglichkeiten der eigenen Unternehmung und der Annahmen hinsichtlich des Marktes und der Kunden zu entwickeln und diese in vernünftigen Zeitläufen zu hinterfragen, bei Abweichungen die Gründe zu ermitteln und dann sofort und unverzüglich Anpassungen vorzunehmen. Das entspricht auch hier wieder einer Pareto-Optimierung. Solange man den anvisierten Leuchtturm beibehält kann es dann schnell zum „Eisschollenspringen“ führen. Während man glaubt durch den Einsatz einer effizienteren Struktur bestimmte Produkte zu besseren Preisen zu schaffen und damit – als Kostenführer – den Marktabsatz zu bewegen (eine Eisscholle), kann sich herausstellen, das es viel wichtiger ist, die Preiswahrnehmung zu verändern, um die Marktführerschaft zu erreichen, und über das Vehikel von weichen Faktoren die Absatzgestaltung anzukurbeln (eine andere Eisscholle). Vielleicht auch auf Teilmärkten separate Umsetzungen des strategischen Gesamtansatz zu erreichen oder die Unternehmenskultur zu verändern, um die Vertriebskraft des Unternehmens auszubauen oder zu stärken(noch eine Eisscholle).

Auf eine andere Eisscholle zu wechseln bedeutet noch lange nicht das Ziel aus dem Auge zu lassen, aber es ergeben sich Umwege, die ihrerseits auch neue Chancen beinhalten können und damit Auswirkungen auf den Leuchtturm, (also insoweit doch) das strategische Ziel, haben.

Betrachtet man die Märkte auf denen sich in schneller Folge Veränderungen einstellen können (Regionalmärkte, Niederlassungsbereiche, nationale oder übernationale Märkte), so sind diese einerseits ein Informationsthema und andererseits ein Kompetenzthema. Das Informationsthema führt in der heutigen Zeit zumeist zu Fragen des Dataware House (über das wir schon seit 40 Jahren reden, nur die wenigstens verwenden das aber in einem konsequenten Konzept), der Datenanalyse im klassischen (Marktstudien etc.), aber auch modernen Sinn (Auswertungen über artifizieller Intelligenz, was nicht intelligent im landläufigen Sinne sondern künstliche, durch selbstlernende Algorithmen, auszuwertende Nachrichten und Informationen) meint. Und im Bereich der Kompetenz geht es um Teamstrukturen (das reicht vom offenen, kommunikativen gleichgeordneten Team, dem an der Verhaltensbiologie orientieren Wolfsrudel oder auch dem Silberrücken, manchmal auch den reinen Einzelkämpfern, „Trüffelschweinen“ u.ä.). Die gern gepredigten Vorgaben für den richtigen Weg? Kann man vergessen, wenn man die Methode oder Struktur nicht aus dem Stamm der Mitarbeiter heraus entwickelt oder sich genau dieses Mitarbeiters besorgt.

Im Grunde scheint ein wichtiger methodischer Ansatz der der Stoiker zu sein (die Stoa war eine antike Philosophie, die ihre Wurzeln in der Rationalität, dem Logos, findet und danach die Welt strukturiert – Xenon, Seneca und Leibnitz zählten unter anderem zu ihren Vertretern):

suche nach dem eigenen inneren Kern (der arretei) und lebe ihn.

Das gilt auch für Unternehmen und ihre von Menschen getragene Verfasstheit.

Das schließt nicht aus, dass man Teams nach Vorgaben von Managementmethoden zusammensetzt.

So sieht der Scrum Ansatz, der vor allem in agilen Unternehmensstrukturen Verbreitung findet vor, dass man jemanden als Moderator/Anleitenden (meist Scrum master genannt) des Diskurs zu den Problemen einsetzt, der die Team Besprechungen anleitet, ohne selber darin operativ beteiligt zu sein. Was eine Anleitung zur Findung von Problemlösungen nicht ausschließt. Andere Personen (meist product owner genannt) mit der Verantwortung für die Produkte, Probleme oder zu klärenden Fragen (die man in einem Blog/einer Arbeitsliste erfassen kann) betraut, der auf die Verfolgung von zügigen Lösungen verpflichtet ist und innerhalb des Teams Mitarbeiter (Scrum team) mit dem nötigen Fachwissen und Problembewusstsein einbezieht.

Auch wenn die Methode aus der IT Technik kommt (zur schnellen Entwicklung von Software) ist es hervorragend geeignet in mittelständischen Unternehmen Lösungsansätze zu steuern. Nimmt man das Beispiel einer erkannten Neu-Strukturierung einer Niederlassung im Einzelhandelsbereich (unterstellt ein Unternehmen mit einer Vielzahl an Niederlassungen und zentralisierten Diensten im Bereich kaufmännische Geschäftsführung) so könnte eine solche Struktur wie oben dargestellt aussehen.

Die Differenzierung des StOA Modell gegenüber dem (schon) klassischen Scrum-Modells  resultiert daraus, dass hier keine vorgegebene Auftragsarbeit zu erledigen ist, sondern Problemfelder in einem dynamischen Umfeld eine Klärung bedürfen.

Der einbrechende Umsatz einer Niederlassung, die Änderung gesetzlicher Vorgaben oder die aggressive Preispolitik der Konkurrenz.

In einer Kick-Off Sitzung ist dann ein erster Entwurf (nicht unbedingt die Lösung) das Ziel, aus der sich eine Anzahl von Maßnahmen herleiten lassen sollten. Der Grundsatz der Pareto-Optimierung (man sucht die wenigen Stellschrauben, die die meiste Wirkung auf die Ziele haben) und Heuristiken (landläufig auch „Bauchgefühl“) sind dabei ein wichtiges Hilfsmittel. Natürlich kann man auch auf Brainstorming, Brainwriting, Stärken-Schwächen Analysen oder sonstige aus den seminaristischen Tätigkeiten mehr als bekannte Techniken setzen, um eine Lösung zu finden.

Der Strukturierer im StOA Modell ist hier in der Regel der „Pfad-Finder“, weniger der Mediator oder Auftraggeber wie es der Product Owner im Scrum Modell ist. Er strukturiert das Problem in einem offenen Diskurs und konterkariert die Lösungsansätze, hat insoweit noch Einfluss, auch wenn das Team „vor Ort“ entsprechendes Gewicht haben sollte. Die Ergebnisse des Kick Offs werden an das Team in Form von kurz formulierten Maßnahmen/Aufgaben übergeben und dort in einem strengen Zeittakt bearbeitet/Änderungen und Anpassungen unterworfen. Der Organisator begleitet das Team in der täglichen (kurzen) Besprechung, ähnlich wie der Scrum Master, leistet eventuell Recherchen, beseitigt organisatorische Hindernisse und konzertiert die Arbeit der Gruppe.  Ob man den Zeittakt täglich (dailly sprint) stattfinden lässt oder der Gesamtlauf (Sprint) auf 30 Tage konzipiert ist hängt von der Struktur des Unternehmensbereichs und den tatsächlichen Problemen ab. Bei einem Preiskampfthema kann auch der eigentliche Zeitlauf/Scrum im Wochentakt liegt und statt dem „dailly meeting“ mehrmalige Treffen pro Tag in Frage kommen, um das Pricing z.B. im Online-Verkauf zeitnah zu gestalten.

Der Adminstrator, der im Scrum nicht vorgesehen ist, hat die Aufgabe notwendige Prozesse und Veränderungen zu dokumentieren, vertritt den Organisator und stellt das Ergebnis in geeigneter Form dem Team und den übrigen Beteiligten vor. Sinnvoll ist es immer am Ende eines Zyklus eine „Nabelschau“ zu betreiben, Methode und Lösungsansätze zu hinterfragen und die Erfahrung für zukünftige Fälle vorzuhalten (was dann zu einer spezifischen Heuristik und einer spezifischen Unternehmenskultur führen kann).

Der Vorteil des Systemansatzes liegt vor allem in seiner Möglichkeit in schnellen, kleinen Anpassungen an einer Lösung zu arbeiten. Sich nicht auf „den Lösungsansatz“ zu fixieren, vorbeischwimmende „Eisschollen“ (alternative Lösungsansätze also), trotz der ungewissen Fahrroute, ebenso ins Kalkül zu ziehen und dadurch für weitere Alternativen offen zu sein.

Einen Versuch wert, wie wir meinen.

 

 

 

 

Compliance im Mittelstand

..oder doch nur Risikomanagement ?…

 

Der Begriff der Compliance ist in populären betriebswirtschaftlichen Publikationen en vogue. Auch wenn Inhalt und Bedeutung in den meisten Fällen nicht zutreffend beschrieben sind.

Rechtlich erheblich ist der Begriff von eine Relevanz für börsennotierte Aktiengesellschaften. Nicht für mittelständische Unternehmen.

 

       I.          Grundsätzliches

 

Unter dem Begriff „Compliance“ wird im Allgemeinen – in Anlehnung an die Beschreibung im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) – die Gesamtheit aller Maßnahmen verstanden, die erforderlich sind, um ein rechtmäßiges Verhalten des Unternehmens, seiner Organmitglieder und Mitarbeiter mit Blick auf alle gesetzlichen Gebote und Verbote zu gewährleisten[1].

Als Ausprägung des allgemeinen Legalitätsprinzips geht Compliance dabei über eine bloße, in aller Regel rückwärtsgewandte, Rechtmäßigkeitskontrolle des Unternehmenshandelns hinaus und beschreibt ein systematisches Konzept zur Sicherstellung regelkonformen Verhaltens im Innenverhältnis sowie im Außenverhältnis gegenüber Dritten. Compliance –verstanden als konzerndimensionales Konzept zur Rechtmäßigkeitsgewähr – beinhaltet dabei drei wesentliche Elemente: Die Vermeidung von Fehlverhalten, die Aufdeckung von Rechtsverstößen sowie die angemessene Reaktion hierauf. Die Compliance-Verantwortung trifft den Vorstand der (börsennotierten) Aktiengesellschaft oder, allgemeiner gesprochen, die Unternehmensleitung.

Das Thema steht seit ca. dem Jahr 2007 im Blickpunkt der Öffentlichkeit, nachdem es damals zur Aufdeckung der Korruptionsaffäre bei SIEMENS gekommen war. Razzien, Verhaftungen, Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, Rücktritte von Aufsichtsrats- und Vorstandsmitgliedern und eine Geldbuße in dreistelliger Millionenhöhe waren in der Öffentlichkeit stark beachtete Folgen.

Zu einem in Compliance-Fachkreisen breit diskutierten zivilgerichtlichen Urteil kam es Dezember 2013, als das LG München I einen ehemaligen SIEMENS-Manager zu einer Schadensersatzzahlung von 15 Mio. EUR verurteilte, weil er gegen die Compliance-Pflichten des Konzerns verstoßen hatte, wie das Gericht in den Urteils-Leitsätzen ausdrücklich feststellte[2]. Die anderen Manager waren übrigens auch in Anspruch genommen worden, hatten sich jedoch mit SIEMENS außergerichtlich verglichen.

Wie aktuell die Diesel-Abgasskandale bei deutschen Autoherstellern zeigen, kommt es immer wieder zu Compliance-Fällen, die zu existentiellen Krisen der betroffenen Unternehmen führen können[3]. Tagesaktuell ist das von AUDI akzeptierte Bußgeld von 800 Mio. EUR wegen Verstosses gegen §§ 130, 30 OWiG[4] (siehe dazu unten).

 

     II.          Adressaten und Normierung von Compliance-Pflichten

 

Ausdrückliche Adressaten von Compliance-Verpflichtungen sind zunächst einmal (börsennotierte) Aktiengesellschaften und Unternehmen der Finanzwirtschaft (diese werden hier nicht behandelt). Dies ergibt sich aus den Vorschriften des Aktiengesetzes sowie dem Deutschen Corporate Governance Kodex, der in Ziff. 4.1.3. eine entsprechende Verpflichtung enthält[5]:

Der Vorstand hat für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance). Er soll für angemessene, an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtete Maßnahmen (Compliance Management System) sorgen und deren Grundzüge offenlegen. Beschäftigten soll auf geeignete Weise die Möglichkeit eingeräumt werden, geschützt Hinweise auf Rechtsverstöße im Unternehmen zu geben; auch Dritten sollte diese Möglichkeit eingeräumt werden.“

 

Relevant ist in dem Zusammenhang auch Ziff. 4.1.4.:

Der Vorstand sorgt für ein angemessenes Risikomanagement und Risikocontrolling im Unternehmen.“

Anzumerken ist jedoch, dass der DCGK selbst kein Gesetz ist, sondern eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft darstellt (Vgl. die Formulierung auf dcgk.de: „Ausdruck einer Selbstverpflichtung der Wirtschaft zu guter Corporate Governance“). Allerdings werden in ihm auch wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften dargestellt. Die „Gesetzlichkeit“ des Kodex ergibt sich aus § 161 AktG, der wie folgt ausdrücklich Bezug auf den Kodex nimmt:

Aktiengesetz
§ 161 Erklärung zum Corporate Governance Kodex

(1) Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten Gesellschaft erklären jährlich, dass den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im amtlichen Teil des Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht. Gleiches gilt für Vorstand und Aufsichtsrat einer Gesellschaft, die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt im Sinn des § 2 Absatz 11 des Wertpapierhandelsgesetzes ausgegeben hat und deren ausgegebene Aktien auf eigene Veranlassung über ein multilaterales Handelssystem im Sinn des § 2 Absatz 8 Satz 1 Nummer 8 des Wertpapierhandelsgesetzes gehandelt werden.

(2) Die Erklärung ist auf der Internetseite der Gesellschaft dauerhaft öffentlich zugänglich zu machen.

 

Ferner weist § 91 II AktG in Richtung Compliance:

Aktiengesetz
§ 91 Organisation. Buchführung

(1) Der Vorstand hat dafür zu sorgen, daß die erforderlichen Handelsbücher geführt werden.

(2) Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.

Das o.g. Urteil des LG München stellte zur Haftungsbegründung des ehemaligen SIEMENS-Vorstandsmitglieds auf § 93 AktG ab:

Aktiengesetz
§ 93 Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder

(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.

(…)

 

 

 

 

Die Leitungsfunktion des AG-Vorstandes folgt aus § 76 AktG:

Aktiengesetz
§ 76 Leitung der Aktiengesellschaft

(1) Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten.

(…)

 

Eine gesetzlich normierte, rechtsformneutrale Aufsichtspflicht des Betriebsinhabers, die also für jeden Betriebsinhaber gilt, egal in welcher Rechtsform, ergibt sich aus § 130 OWiG:

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)
§ 130 

(1) Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterläßt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswidrig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen.

(2) Betrieb oder Unternehmen im Sinne des Absatzes 1 ist auch das öffentliche Unternehmen.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann, wenn die Pflichtverletzung mit Strafe bedroht ist, mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden. § 30 Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Ist die Pflichtverletzung mit Geldbuße bedroht, so bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße wegen der Aufsichtspflichtverletzung nach dem für die Pflichtverletzung angedrohten Höchstmaß der Geldbuße. Satz 3 gilt auch im Falle einer Pflichtverletzung, die gleichzeitig mit Strafe und Geldbuße bedroht ist, wenn das für die Pflichtverletzung angedrohte Höchstmaß der Geldbuße das Höchstmaß nach Satz 1 übersteigt.

 

Nach § 30 OWiG kann bei Verstoß gegen unternehmensbezogene straf- oder owi-rechtliche Pflichten eine Geldbuße direkt gegen das Unternehmen selbst verhängt werden:

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG)
§ 30 Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen

(1) Hat jemand

1.als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,

2.als Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder als Mitglied eines solchen Vorstandes,

3.als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft,

4.als Generalbevollmächtigter oder in leitender Stellung als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung oder

5.als sonstige Person, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung verantwortlich handelt, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört,

eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen, durch die Pflichten, welche die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte, so kann gegen diese eine Geldbuße festgesetzt werden.

(2) Die Geldbuße beträgt

1.im Falle einer vorsätzlichen Straftat bis zu zehn Millionen Euro,

2.im Falle einer fahrlässigen Straftat bis zu fünf Millionen Euro.

(…)

Diese Gesetze gelangten im Abgasskandal gegen die börsennotierte VW AG und deren Tochter-unternehmen AUDI AG zur Anwendung, die die Bußgelder nebst Gewinnabschöpfung in Höhe von 1 Mrd. EUR bzw. 800 Mio. EUR akzeptierten.

 

   III.          Compliance –Pflicht: Auch im GmbH- und

                  Personen-gesellschaftsrecht ?

 

Es stellt sich die Frage, ob abseits des allgemein geltenden OWi-Rechts und des Aktienrechts auch für das Recht der GmbH und der Personengesellschaften bzw. für typengemischte Rechtsformen wie die GmbH & Co. KG  Compliance-Pflichten wie für eine Aktiengesellschaft gelten.  Für die AG wird überwiegend vertreten, dass ein Compliance-System eingerichtet werden muß (Frage des „ob“), strittig ist lediglich, in welcher Intensität und mit welchen Mitteln („wie“) dies zu erfolgen hat[6].

  • Eine explizite gesetzliche Regelung, die das Einrichten eines Kontrollsystems wie § 91 II AktG fordert, existiert für das Recht der GmbH und der Personengesellschaften nicht.
  • Allerdings gilt der oben dargestellte Haftungsmaßstab für das Verhalten der Vorstandsmitglieder (§ 93 AktG) und auch die Haftungsfolge der Schadensersatzpflicht bei Pflichtverstößen in sehr ähnlicher Weise auch für den GmbH-Geschäftsführer (§ 43 GmbHG). Dies zeigt bereits der Gesetzes-Wortlaut und auch die Rechtsprechung legt beide Vorschriften ähnlich aus.

 

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)
§ 43 Haftung der Geschäftsführer

(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

 

Auch gilt das „Legalitätsprinzip“ bei der GmbH (bei der GmbH & Co. KG gilt dies wegen der Geschäftsführungsaufgabe des GmbH-GF entsprechend) für den Geschäftsführer wie beim Vorstand bzw. das einzelne Vorstandsmitglied der AG.

  • In der Literatur ist umstritten, ob für die GmbH eine Verpflichtung besteht, ein Compliance-System einzurichten:

 

  • Teilweise wird dies bejaht, dies folge aus der Legalitätspflicht auch des GmbH- Geschäftsführers. Allenfalls die nähere Ausgestaltung des Compliance-Systems stehe zur Disposition des Geschäftsführers und sei von den Gegebenheiten des Einzelfalles abhängig[7].

 

  • Vermittelnde Auffassungen stellen auf den Einzelfall nach Art, Größe und Organisation des Unternehmens, die zu beachtenden Vorschriften, die geografische Präsenz sowie Verdachtsfälle aus der Vergangenheit sollen Kriterien bilden[8].

 

  • Nach anderer Auffassung ist bei der GmbH eine allgemeine Rechtspflicht zur Compliance-Organisation abzulehnen. Kleinere Gesellschaften würden überfordert und mit zusätzlicher Organisation überfrachtet, ohne ein Mehr an Rechtstreue zu gewinnen. Je größer die Gesellschaft, desto mehr böte sich die Schaffung eines systematischen Risiko-Managements an – und umgekehrt. Auch nach dieser Meinung ist dabei relevant die Struktur des Unternehmens, die der Geschäftstätigkeit immanenten Gefahren, die jeweilige Branche, bereits vorgekommenen Rechtsverstöße usw [9].

 

  • Auch für die Personengesellschaft wird hinsichtlich einer nicht näher differenzierenden Übertragung der für die AG geltenden Anforderungen zur Zurückhaltung gemahnt, zugleich aber darauf hingewiesen, dass die Geschäftsleitung sicherzustellen hat, dass sie ihrer Legalitätsverantwortung nachkommt[10]. Unabhängig von der Rechtsform sei die Einrichtung einer Compliance-Organisation in allen Unternehmen zu prüfen, die über ein entsprechendes Gefahrenpotential verfügen, das sich etwa aus der Branchenzugehörigkeit, der Größe oder Komplexität des Unternehmens, seiner weltweiten Marktpräsenz oder aus Missständen in der Vergangenheit ergeben kann.

  IV.          Eigene Stellungnahme

 

 

Mangels gesetzlicher Grundlage kann es eine direkte Rechtspflicht zur Einrichtung einer spezifischen oder gar solcher zertifizierten Compliance-Organisation bei der GmbH und noch mehr bei der Personengesellschaft (mangels vergleichbaren Haftungsregimes der Unternehmensleiter, mangels Vergleichbarkeit mit der von der Rechtsordnung geschaffenen und daher auch schützenswerten juristischen Person, aufgrund des Prinzips der persönlichen Haftung und der Eigenorganschaft) nicht geben.

 

Wie die unterschiedlichen Rechtsregime und ihre jeweiligen Zweckrichtungen zeigen –weitgehend zwingendes, am Schutz der Anleger und der Öffentlichkeit orientiertes AktG einerseits, eher binnen- und gläubigerschutzorientiertes GmbHG und Personengesellschaftsrecht (HGB, BGB) andererseits-, ist ein struktureller Unterschied gerade bei aufwendigen Organisationsanforderungen gerechtfertigt: Wer sich für die Rechtsform der AG entscheidet, muss deren hohen Regelungsgrad akzeptieren, sie ist für das kleine „Start Up“ wenig  geeignet, dafür umso mehr als Großunternehmen und als „Kapitalsammelstelle“ (Börse).

 

Die typischerweise im Mittelstand angesiedelten Organisationsformen unternehmerischen Handelns müssen ihre Flexibilität bewahren können, soweit dies im Zeitalter ohnehin schon mannigfacher gesetzlicher und regulativer Vorgaben möglich ist (Stichwort: DSGVO).

 

Der Unternehmer muss letztlich selbst entscheiden, wie er die ihm obliegende Legalitätspflicht für das von ihm geleitete und ggfs. ohnehin bereits organschaftlich überwachte (Beirat!) erfüllt.  In einer größeren Organisation kann der GF ohnehin nicht selbst all die ihn treffenden Pflichten abarbeiten und ist auf Organisation und Delegation angewiesen.

 

Auch die Haftungsvermeidung und Risikominimierung, Grundanliegen der Compliance, werden auf diese Weise  organisiert. Es ist eine Führungs-aufgabe, fortlaufend zu überprüfen, welche Risiken und Gefahrenpotentiale für das Unternehmen bestehen, die sich etwa aus der Branchenzugehörigkeit, der Unternehmensgröße oder der Komplexität oder auch Internationalität des Geschäfts (s. SIEMENS) ergeben. Ebenfalls liegt es auf der Hand, aus Mißständen und „Rechtstreue-Problemen“ der Vergangenheit Lehren zu ziehen und darauf ein besonderes Augenmerk zu legen. Dies ist aber kein Spezifikum der „Corporate Compliance“, sondern bei jeder Aufsichts- oder Verkehrssicherungspflicht so, ob über ein Haustier, die Kinder, den Gehweg vor dem Haus oder eben das eigene Unternehmen. Kernelement ist jeweils die spezifische Risikoanalyse, aus der dann ggfs. weitere Schlußfolgerungen gezogen werden (müssen).

 

Umfang, Inhalte und Ressourcen eines adäquaten Risikomanagements (Compliance = Risiko des Rechtsverstosses) sind unternehmensindividuell zu bemessen. Eine 1-Mann-Firma trägt andere Risiken als ein Konzern, ein „Start Up“ folgt anderen Prinzipien als der Traditionsbetrieb.

 

 

GablerVerlag/RiskManagement

Gewiss geben Compliance-Management-Systeme wertvolle Hinweise und erlauben durch ihre Standardisierung eine vereinfachte Handhabung in dem Sinne, dass das „Rad nicht neu erfunden werden muß“ und Dienstleister existieren, die dem Unternehmen diese Aufgabe (gegen Entgelt) abnehmen und es unterstützen (ähnlich wie Zertifizierungssysteme oder fachliche Fortbildungen). Aber Compliance-Systeme dürfen auch nicht zum „Tugend-Terror“ verkommen (wie z.B. teilweise QM-Systeme) und dann als bürokratische Belastung oder bloße Pflichtübung empfunden werden – sie verlieren so an Wirkung und Nutzen und das Unternehmerische kapituliert vor der Unternehmens-Verwaltung.[12]

Bei der Compliance handelt es sich  im Kern um eine Form des Risk-Managements und erst die Risikoanalyse kann beantworten, welche Maßnahmen erforderlich sind und wo genauer hingesehen und dann auch gehandelt werden muß. Als eigenständige Compliance-Instrumente können etwa die Implementierung von Anreizsystemen (auch im DCGK berücksichtigt, s.o.) oder die Etablierung einer Compliance-Kultur („Tone oft the Top“) angesehen werden, welche regelkonformes Verhalten fördern.[11] Auch dieses Implementations-Erfordernis hängt aber davon ab, wie offen die Kommunikation im Unternehmen bereits ist. Ob man das Gebilde als altem Wein in neuen Schläuchen nun als Compliance bezeichnen will oder wie seit Jahrzehnten als Risikomangement oder Revisionskontrolle bleibt jedem selber überlassen. Sinnvoll ist die Strukturierung einer Risikovorsorge gestern wie heute.

 

Also packen wir es an.


 

[1] vgl. Reichert/Ott, NZG 2014, 241 ff.

[2] Urt. v. 10.12.2013, Az. 5 HK O 1387/10, NZG 2014, 345

[3] Hoffmann/Schiefer, NZG 2017, 401

[4] Ad-hoc-Mitteilung der Volkswagen AG: https://www.dgap.de/dgap/News/adhoc/volkswagen-ordnungswidrigkeitenverfahren-der-staatsanwaltschaft-muenchen-gegen-die-audi-wird-mit-erlass-eines-bussgeldbescheids-beendet-die-audi-akzeptiert-das-bussgeld-und-bekennt-sich-damit-ihrer-verantwortung/?newsID=1101597

[5] Hervorhebungen d.d. Unterzeichner, nicht im Original

[6] Siehe in der Anlage den Auszug aus dem MüKo-AktG

[7] BeckOK-GmbHG-Haas/Ziemons, 36. Ed. 2017, § 43, Rn. 124

[8] Beckmann, GmbHR 2014,R113/114

[9] Beck-Heeb in Gehrlein u.a. GmbHG, 2. Aufl. 2015, vor § 35 GmbHG Rn. 9

[10] Karrer, Münchener Anw.hdb. PersonenGesR, 2. Aufl. 2015, § 14 Rn. 150

[11] https://www.roedl.de/themen/kompass-gesundheit-soziales/08-2015/risikomanagement-compliance-management

[12] Anschaulich der Beitrag im MM: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/compliance-und-risikomanagement-die-dosis-macht-das-gift-a-1021334-2.html